Wolle auf Talfahrt

Ein Jahr vor der Landtagswahl in Niedersachsen wächst die Zustimmung für Regierungschef Wulff und seine schwarz-gelbe Koalition. SPD-Oppositionsführer Wolfgang Jüttner hat kaum eine Chance

AUS HANNOVERKAI SCHÖNEBERG

„Motivierend“ fanden beide Kandidaten gestern unisono die Ergebnisse, die ihnen die Umfrage von NDR und Infratest dimap auftischte. Allerdings sehen die Demoskopen die Chancen von Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) und seinem Herausforderer Wolfgang Jüttner (SPD) genau ein Jahr vor der Landtags-Wahl in Niedersachsen gänzlich verschieden.

Wulff muss laut der Umfrage höchstens fürchten, die eigenen Leute könnten wegen zu großer Siegesgewissheit am 28. Januar 2008 nicht zu den Urnen gehen. Der zweite Sieger Jüttner muss dagegen auf ein politisches Wunder hoffen. CDU und FDP erreichen bei der Sonntagsfrage zusammen 51 Prozent, drei Punkte mehr als bei der letzten Infratest-dimap-Umfrage vom August. Dagegen kommen die potentiellen Koalitionspartner SPD und Grüne zusammen nur auf 44 Prozent, Jüttners SPD verliert sogar zwei Prozentpunkte (siehe Kasten). Kein Hauch von Oppositionsbonus.

Die Niedersachsen geben Wulff mit 2,7 die beste Schulnote aller Landespolitiker, gefolgt von CDU-Fraktionschef David McAllister (2,8) und seinem FDP-Kollegen Philipp Rösler (3,0). Auf Platz vier folgt Jüttner mit der Note 3,1, selbst die eigenen Parteianhänger geben ihm nur ein glattes „Befriedigend“. Der Oppositionsführer ist nur 59 Prozent des Wahlvolks bekannt, Wulff kennen 94 Prozent. Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel erhielt die Note 3,3. Bei einer Direktwahl bekäme Wulff 69 (plus drei), Jüttner nur 18 (minus drei) Prozent der Stimmen.

Auch in einzelnen Politikfeldern schwächelt die Opposition: In der Wirtschaftspolitik, bei der Kriminalitätsbekämpfung, bei der Senkung der Arbeitslosigkeit und in der Schulpolitik stieg die Zufriedenheit mit Schwarz-Gelb, nur bei der „sozialen Gerechtigkeit“ trauen die Niedersachsen den Sozen mehr zu. Gerade 20 Prozent glauben laut Infratest dimap, dass eine SPD-geführte Landesregierung ihre Sache besser machen würde als Wulffs Truppe.

„Wir haben noch 52 Wochen“, kommentierte Jüttner das Scherbengericht und betonte, dass die Umfragen lange auch für die CDU-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers in NRW oder Peter Harry Carstensen in Schleswig-Holstein wenig Gutes verhießen. Wulff mahnte die eigenen Leute zu Bescheidenheit, im Landtag sagte er jedoch: „Die SPD hat ein Kandidatenproblem.“ McAllister witzelte: „Wolle hat’s versemmelt.“ Wolle, das ist Wolfgang Jüttner.

„Viel erreicht – viel zu tun“ ist der Arbeitstitel des startenden CDU-Wahlkampfs. Alles weist darauf hin, dass die Schwarzen sich ohne weitere Sparorgien durchs Jahr mogeln wollen. In den Monaten vor dem Urnengang wird nichts Großes mehr angepackt, um niemanden zu vergrätzen. Vielleicht hier noch ein paar Milliönchen für die frühkindliche Betreuung, dort noch etwas Bürokratieabbau, hier noch eine Wohltat für Senioren.

Respekt hat die Partei derzeit höchstens vor mangelnder Mobilisierung der eigenen Klientel und bösen Slogans à la „Merkel-Steuer“ oder „Professor aus Heidelberg“, mit denen die SPD im Bundestagswahlkampf punktete. „Dreck schmeißen ist nicht unser Ding“, sagt CDU-Generalsekretär Ulf Thiele. Und verspricht Plakate in „Angie“-Orange, der Farbe der Parteichefin und Kanzlerin.

Mit Spannung erwartet die siegessichere CDU derzeit höchstens die Nominierungen für die Kandidaten in den Wahlkreisen. Das Parlament wird verkleinert, außerdem ist ein Erdrutschsieg wie 2003 nicht zu erwarten, als die CDU alle 91 Wahlkreise direkt eroberte. Also gibt es in mehreren Wahlkreisen Kampfkandidaturen. Am berüchtigsten ist der Krach um die „Gabriele Pauli von Hannover“. Am 5. Februar muss sich der Chef der Stadtpartei und gescheiterte OB-Kandidat Dirk Topeffer im Streit um ein Wahlkreis-Ticket gegen die frauenpolitische Sprecherin der Landtags-CDU, Gabriele Jakob, durchsetzen.