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Archiv-Artikel

Jubiläumsfeier in der Abfertigungshalle

TEDDY AWARD Die Verleihung der schwul-lesbischen Filmpreise Teddy Awards in Tempelhof gerät zur Konsensveranstaltung

Gloria Viagra an den Plattentellern musste arbeiten, um die Feierlaune zurückzuholen

VON KIRSTEN RIESSELMANN

Teddy-Verleihung im Flughafen Tempelhof. Eine schöne Idee eigentlich, auf der Berlinale gezeigte Filme mit queeren Sujets, ja den weltweit bedeutendsten queeren Filmpreis, an seinem 25. Geburtstag im Monumentalitätsmonster der Nazi-Architekten zu feiern. Letztlich kann aber auch der beste Ort nichts an einer mauen, grauenvoll moderierten, lieblos durchhetzten und sich nicht zwischen politischem Bekenntnis und schnöder Konsensunterhaltung entscheiden könnenden Showveranstaltung ändern.

Für die diesjährige Award-Gala wurde die bestuhlte Abfertigungshalle in Pink und Blau illuminiert, die von Ralf König entworfene Teddy-Figur stellte in einer vier Meter hohen Dickwanstversion vor den Eingangstüren den gestrengen Adlerkopf ein paar Meter weiter deutlich in den Schatten. Promis posierten vor einer Sponsorenwand, für jedes Foto gesellten sich ungefragt drei glattbrüstige Promo-Boys mit Berliner-Pilsener-Tabletts dazu. Da kam auch die auf dem Terrain des Kontrahenten beherzt Präsenz zeigende Renate Künast nicht drum herum.

Über die Arte-Moderatorin Annette Gerlach, die seit Jahren durch die Teddy-Gala führt (der Sender übertrug mit zweitägiger Verspätung), ist schon mannigfach gespottet worden. Ihre herzhaft kumpelige, oft jenseits jeglicher Proportionalität posaunende Art blieb auch dem Jubiläum nicht erspart. Als Würdigung für dem Teddy verbundene Verstorbene beispielsweise trat der Altus Jochen Kowalski auf und sang – auch nicht frei von Playback-Peinlichkeit – die Händel-Arie „Ombra Mai Fu“. Im Anschluss polterte Gerlach zackig: „Ich denke, diese Stimme hat man auch im HIMMEL gehört!“ Und nach Rosa von Praunheims kurzem, aber vehementem Redebeitrag, in dem er den Saal dazu zu bringen versuchte, sich wortwörtlich gegen Homophobie zu erheben und „Schande! Schande! Schande!“ zu skandieren, fasste Gerlach gönnerhaft zusammen: „Ein WICHTIGES politisches Statement!“

Aber auch das Programm ließ zu wünschen übrig: Kissenschlachten und Betthopsereien der Performancetruppe Base (merkwürdig laienhaft), das kanadische Folkpopkollektiv The Hidden Cameras (hübsch, aber brav), die Chansonette Romy Haag (würdig, aber wer kann noch David Bowies „Heroes“ auf Deutsch hören?). Einzig der viel zu kurze Auftritt des Verwandlungskünstlers Ennio erntete lauten Applaus, als der Papierfaltkünstler von der Queen zu Freddie Mercury mutierte.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit versprach sich in seinem Grußwort signifikant, als er den Teddy als „immer noch notwendiges Symbol für Freiheit und Gleichberechtigung für Schwule und Lesbinnen“ pries. Berlinale-Chef Kosslick gab wie üblich den Duracell-Hasen der gelegentlichen Witzigkeit und Panorama-Sektionsleiter, und „Daddy of the Teddy“ Wieland Speck ließ die wahrlich nicht zu knappen Errungenschaften von 25 Jahren Teddy Revue passieren. Was nur wollte er sagen mit: „Es fühlt sich an wie ein halbes Jahrhundert“?

Ein Langzeitkämpfer bekam dann auch den diesjährigen Special Teddy Award für sein Lebenswerk: Der südafrikanische Kabarettist und Aids-Aktivist Pieter Dirk Uys, der schon seit der Apartheid im Kostüm der Kunstfigur Evita Bezuidenhoud messerscharfe politische Analyse und Aidsaufklärung an Schulen betreibt. Nach der Kostprobe, die er am Freitag von seiner Kunst gab, möchte man sagen: Derart eloquente, vor keinem politischen Tabu zurückschreckende, nachgerade schmerzhafte Satire in bester Mission hat jede Auszeichnung verdient. Uys rettete den Abend vor der totalen Belanglosigkeit.

PreisträgerInnen-Defilee

FilmpreisträgerInnen gab es, last but not least, natürlich auch: Der Kurzfilm-Teddy ging an die feministische Avantgardefilmerin Barbara Hammer für gleich zwei Arbeiten: „Maya Deren’s Sink“ und „Generation“ (zusammen mit Gina Carducci). Eine überaus gerührte Marie Losier nahm den Teddy entgegen für ihre tatsächlich bezaubernde Doku „The Ballad of Genesis and Lady Jaye“, eine Hommage an die sehr spezielle Definition von romantischer Zweierbeziehung, wie sie der einstige Throbbing-Gristle-Frontmensch Genesis P. Orridge und seine mittlerweile verstorbene Frau lebten.

Als bester Spielfilm wurde der argentinische Forumsbeitrag „Ausente“ von Marco Berger ausgezeichnet, der in sepiagetränkten Bildern die Begehrlichkeit eines Schülers gegenüber seinem Lehrer verhandelt. Gut, dass der Preis der Jury noch an den wirklich gelungenen französischen Spielfilm „Tomboy“ ging. Dann aber brüllte Annette Gerlach auch schon ihre Verabschiedung – „Let’s ROCK it!“ Die After-Show-Party rockte aber trotzdem nicht postwendend. Es war noch sehr kalt auf den Travertin-Fluren des Flughafens, und Gloria Viagra an den Plattentellern musste ein bisschen arbeiten, um die Feierlaune zurückzuholen.