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Archiv-Artikel

„Das könnte Taktik sein“

Winfried Wolf von der Initiative „Bahn für alle“ glaubt nicht, dass die Privatisierung endgültig vom Tisch ist

taz: Herr Wolf, Bahnchef Hartmut Mehdorn sieht keine Chance mehr für eine Bahn-Privatisierung. Ist der Verkauf endgültig vom Tisch?

Winfried Wolf: Nein. Ich glaube, Mehdorns gestrige Aussage könnte Taktik sein. Das Spitzentreffen am 8. November findet statt. Es gibt immer noch Stimmen, die besagen, dass die Koalition die Privatisierung zur Chefsache machen will.

Wenn sie scheitern würde: Was bedeutete das für die Bahn?

Das hieße zunächst einmal, dass die Bahn zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes bleibt. Das wäre ein Erfolg, verglichen mit den Privatisierungsgefahren. Aber natürlich wäre das keine Bahn, wie wir sie uns wünschen.

Eine Staatsbahn hätte zumindest nicht die Renditeziele einer börsennotierten Gesellschaft zu erreichen. Gibt es eine Chance, dass sich eine Bahn selbst trägt, die ihrer Rolle in einer nachhaltigen Verkehrspolitik gerecht wird?

Es gibt Bahnen, die den Kunden mehr bringen und den Steuerzahler weniger kosten als die Deutsche Bahn. Offizielle Zahlen besagen, dass in der Schweiz der Einheitskilometer nur ein Drittel so stark bezuschusst werden muss wie in Deutschland, obwohl der Verkehr weit luxuriöser angeboten wird. Aber ganz kostendeckend kann der Bahnverkehr kaum sein, weil Auto- und Flugverkehr überwiegen.

Herr Mehdorn sagt, er benötige zunächst einmal mehr Geld, um die Bahn wettbewerbsfähig zu halten. Woher soll dieses Geld kommen?

Man kann Teile, die nicht zum Kerngeschäft der Schiene gehören, verkaufen – etwa das internationale Speditionsgeschäft. Man kann, statt Gewinne auszuschütten, diese investieren. Man kann auf unsinnige Großprojekte verzichten. Und man kann Bahn-Anleihen für das breite Publikum auflegen.

Wie lange wird sich Mehdorn noch halten?

Das hängt eng mit der Durchsetzungskraft von Frau Merkel zusammen.

Das heißt, wenn der Börsengang scheitert, muss Mehdorn gehen?

Herr Mehdorn ist seinen Chefs, Kanzlern und Verkehrsministern, auf dem Kopf herumgetanzt. Es ist lächerlich, dass der Bahnchef bestimmen will, was gemacht werden muss.

INTERVIEW: GERNOT KNÖDLER