: Ein Sieger, der nicht gewonnen hat
Brandenburgs CDU wählt Ulrich Junghanns mit äußerst knapper Mehrheit zum Vorsitzenden. Doch seinen Generalsekretär lässt sie durchfallen. Die Partei bleibt weiter zwischen Junghanns-Anhängern und den Fans des Konkurrenten Sven Petke gespalten
AUS FRANKFURT AN DER ODERDANIEL SCHULZ
In diesem Augenblick lag alles in Scherben. „In Ihren Augen sehe ich den Hass“, schreit Ulrich Junghannns. Mit der rechten Hand klammert er sich ans Rednerpult, die linke stößt in den Saal hinab, als wolle er seine Gegner aufspießen. Eine halbe Sekunde lang ist es still, dann ertönen Buh-Rufe, Stühle rücken. Und Ulrich Junghanns klammert sich noch immer an sein Pult, atmet schwer und sieht aus, als sei er über sich selbst erschrocken.
Sein Generalsekretär ist durchgefallen auf dem Landesparteitag der Brandenburger CDU. Im Saal des Kleist-Forums in Frankfurt (Oder) haben viele Delegierte bei dieser Niederlage geklatscht und gejohlt. Da rastete der 50-jährige Wirtschaftsminister, der Mann, der sonst immer ruhig bleibt, aus.
Dabei war er doch der Sieger. Hatte Junghanns nicht vor ein paar Minuten noch den Kampf um den Landesvorsitz für sich entschieden? Nach einem monatelangen, oft brutalen Ringen mit dem Herausforderer Sven Petke. Ja, Junghanns hat gesiegt. Aber gewonnen hat er nicht. 112 Stimmen brauchte der vom bisherigen Parteichef Jörg Schönbohm als Nachfolger Vorgesehene, um seinen Konkurrenten auszustechen. Genau diese 112 Stimmen bekam er, aber keine einzige mehr. Und der Außenseiter Petke, der eine Bespitzelungsaffäre am Hals hat, bekam 110. Führen wollte Junghanns die Partei, aber wie soll das funktionieren, wenn die Hälfte der CDU dem Widersacher folgen will?
Auch wie es in der großen Koalition in Potsdam weitergehen soll, ist seit dem Frankfurt-Fiasko nicht klar. Nach dem Wahlergebnis sagt SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck, er mache sich Sorgen um die Arbeit der Regierung. Diese dürfe nicht durch Querelen einer Partei kaputt gemacht werden. Den Minister Junghanns kennen und schätzen die Sozialdemokraten. Er ist verlässlich, berechenbar. Petke – und damit künftig wohl auch die CDU – ist alles andere als das.
Denn Petke sitzt künftig wieder im Landesvorstand der Partei. Nach seiner knappen Niederlage gegen Junghanns ließ er sich sofort als einer der vier Stellvertreter wählen. Zwei seiner Verbündeten brachte er gleich mit, darunter die von Schönbohm vor einigen Jahren aus dem Amt geworfene frühere Justizministerin Barbara Richstein. Verlassen kann sich Junghanns nur auf die Wissenschaftsministerin und erklärte Petke-Gegnerin Johanna Wanka. Künftig muss der Minister Junghanns also die Politik der großen Koalition und die ungeliebten Kompromisse mittragen, und der Parteichef Junghanns muss sie der eigenen Partei verkaufen. Petke hingegen kann ihn unter Druck setzen. In den vergangenen Monaten hatten er und seine Claqueure immer wieder beklagt, die CDU kuschele unter Schönbohms Getreuen zu sehr mit dem Koalitionspartner. Selbst wem Junghannns den Posten des engsten Vertrauten gibt, wird Petke mitdiktieren: Ausgerechnet der von seinen Leuten dominierte Landesvorstand soll Junghanns nun einen neuen Generalsekretär zur Seite stellen.
Für die CDU in Brandenburg sollte der Sonnabend eigentlich ein Abschluss sein. Das Ende der inneren Zwistigkeiten. Der Machtkampf war in den letzten Monaten zuweilen mit Mitteln ausgetragen worden, die selbst den Erbstreit in der CSU wie eine Pöbelei unter beschwipsten Konfirmanden aussehen ließ. Die Angriffe zielten dabei zumeist auf Junghanns und seine Unterstützer: Finanzielle Interna landeten bei überregionalen Medien. Bei Wikipedia tauchten plötzlich wenig schmeichelhafte Einträge auf. Unter Führung von Petkes Ehefrau Katherina Reiche, Unions-Fraktionsvize im Bundestag, wählte sein Gefolge im Landesvorstand ihn zum Wunschkandidaten. Viele Junghanns-Befürworter waren an diesem Tag nicht da. Kein Wunder, dass viele Parteitagsredner „Einigkeit“ und „Geschlossenheit“ beschworen. Doch es nutzte nichts. Die Konservativen unter Junghanns und Schönbohm agierten vor und auf dem Parteitag zu defensiv. Petke war nicht nur stets der Skrupellosere, sondern auch der Schnellere, Angriffslustigere. Er hatte seine Mannschaft zuerst zusammen, ihn unterstützten die besseren Redner. Und er war nicht gewillt, aufzugeben. Wenn Petke nicht Vize geworden wäre, hätte er sich als Beisitzer aufstellen lassen.
„Das ist wie im Krieg – Frontbegradigung“, sagten Petke-Unterstützer, „der Sven zieht sich so weit zurück, wie er muss, und dann greift er wieder an.“ Und selbst die Unterstützer des neuen Parteichefs meinen, der „Uli“ sei nur ein Übergangschef. Als Petke sagte, die CDU brauche einen Neuanfang, klang das für viele wie eine Drohung.
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