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Archiv-Artikel

Geheimnisvoll und explosiv

Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee: Hamburger Senat verheimlicht Unfallstatistik, behaupten die Grünen

Der Hamburger Senat verheimlicht Informationen über Unfälle in der Nord- und Ostsee mit Munitionsaltlasten aus dem 2. Weltkrieg. Das behaupten der Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete Manuel Sarrazin und die schleswig-holsteinische Europaparlamentarierin Angelika Beer (beide Grüne). Das sei „unverantwortlich“, finden sie, denn die explosiven oder chemischen Kampfstoffe „belasten nicht nur die Meeresumwelt, auch Menschen fallen ihnen immer wieder zum Opfer“. Allein in Dänemark würden jährlich etwa 20 Menschen durch Explosionen oder Vergiftungen verletzt.

Der Senat der Hansestadt hatte kürzlich in seiner Antwort auf eine parlamentarische Anfrage Sarrazins erklärt, über Munitionsaltlasten „keine zentrale Statistik für alle Bundesländer“ zu führen. Eben dies sollte er aber seit über 50 Jahren gemäß einer Absprache der Länder tun. Das bestätigte jetzt Schleswig-Holsteins Innenminister Ralf Stegner (SPD) in einem Brief an Beer.

Schleswig-Holstein würde „alle bekannten Unfälle“ mit Minen, Torpedos oder Giftgasgranaten an Hamburg melden, absprachegemäß würden die anderen Bundesländer ebenso verfahren, sagt Stegner. Deshalb sei in der Hansestadt „eine Datensammlung entstanden, die durchaus eine statistische Aussagekraft besitzt“, schreibt Stegner.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in der Ostsee auf Befehl der Alliierten mindestens 12.000 Tonnen chemische Kampfstoffe sowie unzählige Minen und Torpedos versenkt. „Sowohl intakte Munition als auch völlig verrostete Gehäuse, deren Kampfstoffe entwichen sind, sind vorhanden“, heißt es in einem Bericht des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) aus dem vorigen Jahr. Allerdings seien „die deponierten Mengen und die genauen Standorte nie wirklich untersucht worden“.

Aus dem Jahr 2003 sind laut BSH 25 Fälle aktenkundig, in denen Fischer in ihren Netzen Munition aus dem Wasser gezogen haben. Noch Mitte Dezember 2006 wurden in der Kieler Bucht mehrere entdeckte Minen gesprengt. Nach Angaben des Naturschutzbundes (Nabu) liegen in dem Gebiet noch etwa 90 weitere Torpedosprengköpfe und Seeminen.

Beer und Sarrazin fordern nun Hamburg auf, „die Lösung des Altlastenproblems auf die Agenda der Europäischen Meerespolitik zu bringen“. Gerade angesichts der geplanten Ostseepipeline zwischen Deutschland und Russland müssten die Zahlen für die deutschen Küstenländer „auf den Tisch“, meinen die Grünen. Ohne Risikoanalyse drohe der Bau der Gasleitung „zum Himmelfahrtskommando“ zu werden. Sven-Michael Veit