: Share dich zum Teufel
Hart, härter, iShareGossip.com: In diesem Messageboard können Jugendliche ihre „Neuigkeiten, Gerüchte und Lästereien“ posten und diskutieren lassen. Die Seite wirbt damit, ihre Nutzer absolut anonym zu behandeln. Die Botschaft lautet: Hier könnt ihr ruhig die Sau rauslassen. Und so ist es dann auch: „wer hat den geilsten arsch der schule?!“, fragt ein User, ein anderer selektiert die „hübschesten/hässlichsten mädchen?“
„Etwas Vergleichbares hat es im deutschen Internet bisher noch nicht gegeben“, sagt Margit Ricarda Rolf von der Mobbing-Zentrale in Hamburg. „Vor allem die Dreistigkeit, mit der hier vorgegangen wird, ist einmalig.“ Ins Blickfeld der Mobbingexperten geriet iShareGossip schnell: Immer wieder, beinahe täglich, tauchen Diffamierungen eindeutig identifizierbarer Personen auf, manchmal auch mit vollem Namen. Die Staatsanwaltschaft in Frankfurt am Main ermittelt.
Dann kann in den ersten Google-Suchergebnissen zum Namen der iShareGossip-Eintrag stehen, der Betreffende sei „ein Opfer“ und sehe aus „wie ein stück scheiße“. Die Seite ist auch eine Dokumentation über die Beschimpfungspraxis deutscher Teenager: momentan sind „Opfer“ und „Knecht“ als Herabwürdigungen sehr verbreitet – und „Jude“.
Viele Schüler wollen bei solch übler Nachrede nicht tatenlos zusehen. Häufig versuchen Nutzer, mäßigend in die Diskussion einzugreifen und die Mobber zu Fairness und Mäßigung zu überreden – mit geringem Erfolg. Die Zahl der diffamierenden und verletzenden Posts hat die letzten Wochen eher zu- als abgenommen. Bisweilen melden sich auch die Beleidigten zu Wort, oft aber trauen sie sich nicht.
Es gab einige Versuche, die Seite vom Netz zu nehmen: Den Ermittlungsbehörden liegen Anzeigen vor wegen Beihilfe zur Beleidigung, übler Nachrede oder auch Bedrohung. Allerdings ist die Seite in Schweden gehostet: Die Behörden hoffen auf Amtshilfe ihrer Kollegen vor Ort. Das Familienministerium hat bereits einen Indizierungsantrag gestellt, damit die Seite zumindest über deutsche Suchmaschinen nicht mehr auffindbar ist.
Einen anderen Weg will Margit Ricarda Rolf einschlagen. „Wir versuchen zivilrechtlich vorzugehen.“ Sollte sich ein konkretes Opfer finden, das bereit wäre, Schadenersatzansprüche geltend zu machen, wäre es möglich, die Seite pfänden zu lassen.
Bis dahin seien vor allem die Schulen gefordert, über das Thema zu sprechen und die Schüler zu sensibilisieren. Wann die Gegenmaßnahmen Erfolg haben, ist nicht abzusehen.
Die Betreiber der Seite äußern sich nicht zu den Vorwürfen. Der einzige bisher laut Impressum auszumachende Verantwortliche, Alexander Liepa, reagiert auch nicht auf taz-Anfrage.
FREDERIK VALIN