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Archiv-Artikel

Wie fair kann ein Smartphone sein?

STANDARDS Eine niederländische Firma will ein Handy herstellen, das sozial und ökologisch so korrekt wie möglich ist. Erstmals öffnete sie die Tore ihrer Fabrik in China für einen Journalisten: Dort trifft der Anspruch auf die Wirklichkeit

Man spricht deutsch

■ Das ist es: Die Idee stammt aus Amsterdam, das Telefon aber kommt aus Chongqing in der Provinz Sichuan, rund 1.100 Kilometer nordwestlich von Hongkong: 7 Millionen Einwohner, dazu gehören weitere 21 Millionen drum herum. Die Hochhäuser auf den steilen Hügeln kratzen tatsächlich an den Wolken – sie stehen oft im Nebel der Flüsse Jangtse und Jialing, die es von hier aus nicht mehr weit haben bis zum Dreischluchtenstaudamm.

■ Die nutzen es: Etwa 60 Prozent der Fairphones haben Kunden aus dem deutschsprachigen Raum bestellt. Dann folgen die Niederlande, Belgien, Großbritannien und Frankreich. Die Berichte über die schlechten Arbeitsbedingungen in der Produktionskette der Elektronikkonzerne, unter anderen in den Apple-Foxconn-Fabriken, scheinen besonders in diesen Ländern eine Wirkung hinterlassen zu haben.

AUS AMSTERDAM SVENJA BERGT UND AUS CHONGQING HANNES KOCH

Weil sich Bas van Abel in Amsterdam Smartphones anders vorstellt, wird in Chongqing jetzt ein riesiges Porträt des Arbeiters Zhu Yu an die Wand der Fabrikhalle projiziert. Zhus Gesicht erscheint neben dem von 18 Kollegen. Sie sollen von nun an die Interessen der Beschäftigten vertreten. Seit dem Morgen steht das Ergebnis der Wahl fest. „Ich bin stolz“, sagt Zhu Yu, 21 Jahre alt, ein stabiler Typ. „So etwas gab es hier vorher noch nie.“ Er baut in der Fabrik am Stadtrand der Jangtse-Metropole in der chinesischen Provinz Sichuan Smartphones zusammen, die sich Bas van Abel ausgedacht hat.

Zhu trägt die Arbeitskluft der Firma Guohong: dunkelblaue Hose, hellblaues Hemd mit dem Firmenlogo überm Herzen und ein gelbes Plastikarmband mit dem Schriftzug der Los Angeles Lakers. Er ist Fan des kalifornischen Basketball-Teams.

27 Kollegen haben Zhu Yu ihre Stimme gegeben. Das ist nicht unbedingt viel bei etwa 700 Beschäftigten. Aber es hat gereicht. In der Ecke steht noch die rote Pappkiste, die sie als Wahlurne benutzt haben. Jeder konnte seinen Stimmzettel hineinwerfen. Es ist ein soziales Experiment, ein kleiner Versuch von Mitbestimmung in einem Land, in dem frei gewählte Vertretungen von Arbeitnehmern eigentlich nicht existieren.

Die Firma Guohong ist ein Zwerg im Vergleich zu Weltmarktfabriken wie Foxconn. Fünf Millionen Smartphones jährlich stellt sie her, Hunderte Millionen Telefone, Tablets und Laptops verlassen dagegen im Auftrag von Apple oder Samsung die Produktionsstraßen anderer Fabriken. Aber Guohong ist ein besonderer Betrieb. Er kooperiert mit Bas van Abels kleinem Unternehmen in Amsterdam. Die niederländische Firma hat einen ziemlich hohen Anspruch: Sie will beweisen, dass man Smartphones unter Bedingungen herstellen kann, die sozial und ökologisch akzeptabel sind. Sie nennen ihr Projekt Fairphone. Im vorigen Jahr haben sie 25.000 Geräte verkauft. In diesen Wochen produzieren Zhu Yu und seine Kolleginnen und Kollegen die zweite Serie der Fairphones – 35.000 Stück.

17.647 davon hat Bas van Abels Firma Ende der Woche verkauft. Er will nicht weniger als das Wirtschaftssystem neu denken – sagt er. Zusammen können die Kunden es von unten verändern, das ist seine Idee.

Die Atmosphäre am Band ist familiär

Der Gründer des Fairphone-Projekts sitzt in einem Dachgeschoss im Osten von Amsterdam. Hinten der Kanal des Hafens, vorne eine vierspurige Straße, dann die Bahngleise. Ein Neubaugebiet, in dem Start-ups und Nichtregierungsorganisationen Tür an Tür arbeiten. Die Fairphone-Macher würden das Haus gerne verlassen. Aus ihrer Initiative ist ein Unternehmen mit 30 Mitarbeitern geworden. Unterm Dach wird es zu eng.

Nach ihrer Gründung haben sie im vergangenen Jahr 10.000 Geräte in nur drei Wochen verkauft. Und das, obwohl die kleine Firma überhaupt keine Erfahrung mit der Produktion von Elektronik hatte. 10.000 Geräte. Klar, kein Vergleich mit Branchengrößen wie Apple, die an einem durchschnittlichen Tag 400.000 iPhones absetzen. Aber das sind auch nicht die Kategorien, in denen sie hier denken. Es ist eher ein konstantes Erstaunen, dass es das Fairphone überhaupt gibt.

Zhu Yus Platz ist an den Produktionsbändern, die in der zweiten und dritten Etage des fünfstöckigen, grauen Fabrikgebäudes in einem Vorort Chongqings stehen. Um reinzukommen, muss jeder durch die Kontrolle, die wort- und lustlos zwei kleine, ältere Frauen vornehmen. Plastikmantel anziehen, hellblaue Plastikcap auf den Kopf und Überzieher für die Schuhe, eigenes Smartphone abgeben, außerdem die Armbanduhr. Warum das so ist, kann niemand erklären.

In der langen grauen Halle ist es leise und wegen des Neonlichts über jedem Arbeitsplatz sehr hell. Auf beiden Seiten des Fließbands sitzen je 20 Arbeiterinnen und Arbeiter. Zwischen ihren Tischen fahren in der Mitte langsam die Smartphones vorbei. Hektik herrscht nicht, aber Monotonie – bis zu 1.200 Mal am Tag dieselben Handgriffe. Zuerst nehmen Arbeiter die Metallrahmen der Fairphones vom Band, setzen die Hauptplatine ein und legen alles wieder aufs Band zurück. Immer wieder greifen sie nach den magnetischen Elektroschraubern, die über ihnen hängen, und drehen winzige Schrauben in die Fairphones. Neben dem Band spielen Beschäftigte die Software auf die Telefone, testen die GPS-Funktion und halten sich jedes Gerät ans Ohr, um die Lautsprecher zu testen.

Beim Konzern Foxconn, der unter anderem die iPhones für Apple produziert, sprangen in den vergangenen Jahren Arbeiter von Fabrikdächern. Zwölf Stunden Arbeit täglich oder mehr, oft sieben Tage die Woche, unzureichende Löhne, überfüllte Wohnheime, erniedrigende Strafen durch Vorgesetzte – das berichteten Apple-Arbeiter über die Zustände in den gigantischen Werksanlagen. Samsung hat gerade erst die Zusammenarbeit mit einem chinesischen Zulieferer wegen des Verdachts auf Kinderarbeit gestoppt.

Bei Foxconn müssen Beschäftigte manchmal in Reihen antreten und zum Arbeitsplatz marschieren. Im Vergleich dazu ist Guohong klein und familiär. Junge Manager reden freundlich mit noch jüngeren Arbeitern, machen auch mal Witze, kein Kommandoton. So wirkt das zumindest, wenn man durch die Hallen läuft. Aber sind die Arbeitsbedingungen hier wirklich besser? Wie fair kann ein Smartphone heute überhaupt produziert werden?

Zhu Yu will als gewählter Repräsentant nun helfen, „die Interessen der Arbeiter“ zu vertreten. „Ich möchte über das Geld des Sozialfonds mitentscheiden“, sagt er. In dem Fonds stecken zurzeit rund 86.000 Euro. Für jedes verkaufte Fairphone haben die Amsterdamer 2 Euro eingezahlt, genauso wie Guohong. Damit will man den Lohn der Beschäftigten im Vergleich zur normalen Produktion aufbessern. Würde das Geld einfach gleichmäßig auf alle Arbeiter und Angestellten bei Guohong verteilt, bekäme jeder 125 Euro zusätzlich – etwa ein Drittel des durchschnittlichen Monatslohns.

Bisher wurde erst ein kleiner Teil nach diesem Prinzip ausgeschüttet. Künftig werden die Beschäftigtenvertreter Vorschläge aus der Belegschaft sammeln. Soll man die Mittel dafür verwenden, den Lohn aufzustocken, Fortbildungskurse für Englisch zu bezahlen oder die Kantine und das Essen verbessern? „Dass alle an einem so wichtigen Punkt mitwirken können, war früher undenkbar“, sagt Zhu. „Wegen der Kooperation mit Fairphone sind die Bedingungen tatsächlich besser geworden als früher.“

Bas van Abel ist 36 Jahre alt und eigentlich Designer. Ein Beruf, in dem viele einen Entwurf machen, daran feilen, die Endfassung nach China mailen und von dort aus einen Container mit der fertigen Ware zurückgeschickt bekommen. Überstundenregelungen, Stundenlohn, gewerkschaftliche Vertretung der Arbeiter? Das lässt sich leicht mal außer acht lassen. Zu leicht, findet van Abel. „Die Konsumenten sind heutzutage völlig entfremdet vom Produktionsprozess“, sagt er. Und wie sollen die Konsumenten näher an die Produktion rücken, wenn nicht mal alle Auftraggeber wissen, welche Arbeitsbedingungen und Materialien in ihrem Produkt stecken?

Bas van Abel findet, jeder sollte wissen, was in dem drinsteckt, was er nutzt – konkret und im übertragenen Sinne. Als Designer hat er etwa das erste Open-Source-Restaurant der Welt mitgegründet. Wer hier isst, kann nicht nur die Rezepte mit nach Hause nehmen, sondern auch Baupläne für die Möbel und die Anleitung, wie man selbst so ein Restaurant eröffnet. Ziemlich genau das Gegenteil von Apple also, das sich sogar das Interieur seiner Filialen als Marke schützen lässt. Open Source heißt, dass der Code eines Programms offen liegt, ihn jeder nutzen, ändern und weiterverbreiten kann. Diese Transparenz wünschen sich Menschen wie van Abel auch für Geräte. Was du nicht öffnen kannst, gehört dir auch nicht, heißt ein Motto der Selbermach-Bewegung, der „Maker“.

Das Fairphone wollen sie nicht nur öffnen können, sondern auch entscheiden, was drin ist.

Zwei von etwa 30 verwendeten Metallen – Zinn und Tantal – stammen aus zertifizierten Minen im Kongo, die nicht von Kriegsherren beherrscht werden und keine Sklavenarbeiter ausbeuten sollen. In der chinesischen Fabrik haben die Arbeiter nach sechs Tagen einen Tag frei – was sonst nicht garantiert ist. Die Überstunden sind auf zwei am Tag begrenzt. In der normalen Produktion können es sonst deutlich mehr werden. Trotzdem überschreitet die Fabrik auch in der Fairphone-Produktion oft die gesetzlich erlaubte Höchstarbeitszeit von 49 Stunden pro Woche – ein weit verbreiteter Missstand in chinesischen Fabriken. Doch immerhin dürfen die Arbeiter mitbestimmen, was mit den Gelder aus dem Sozialfonds passiert.

Es wirkt wie ein gewaltiger Schritt in einem Land, das ansonsten nicht unbedingt für seine Mitbestimmungsmechanismen bekannt ist. Wieso schreitet dann die Partei nicht ein? „Weil es hier nicht um Politik geht, sondern um wirtschaftliche Angelegenheiten der Firma“, erklärt Weif Chen, der Vizepräsident von Guohong.

Die Debatten der Arbeitervertreter finden in einem Versammlungsraum im Erdgeschoss statt. Dort stehen lange dunkelbraune Holztische, so schwer, dass nur ein Kran sie bewegen kann. Auf den breiten Stühlen nehmen sie an diesem Vormittag das erste Mal Platz. Niemand lehnt sich an. Alle sitzen auf der Kante ihres Stuhles. Eine ungewohnte Situation für sie. Keiner traut sich, als erster zu sprechen. Schließlich reißt der Chef der Kantine, ein breiter Mann mit dickem Nacken, die Initiative an sich. Er redet und redet und redet. Es dauert, bis Zhu seine Zurückhaltung überwindet. Er will auch über den Lohn sprechen. Manchmal würden beispielsweise die Zulagen für Überstunden nicht korrekt ausgezahlt, bemängelt er.

Ein Smartphone kann aus unterschiedlichen Gründen fair sein. Weil Kunden beispielsweise den Akku selbst auswechseln können – mit einem iPhone geht das schon mal nicht. Weil Rohstoffe fair gewonnen werden. Weil die Hersteller auch schon an die Entsorgung gedacht haben. Und weil die Arbeiter, die es herstellen, fair bezahlt werden.

Mit dem Lohnsystem kennt sich Zeng Ying aus. Die Frau mit den langen dunklen Haaren und der dunklen Stimme hat Ökonomie in der benachbarten Stadt Chengdu studiert und ist mit 28 Jahren schon Personalleiterin bei Guohong.

Ein Arbeiter in der normalen Smartphone-Produktion, sagt Zeng, erhalte umgerechnet maximal 330 Euro. Die 45 Fairphone-Beschäftigten kriegen 22 Euro mehr Lohn. Das aber auch nur für die rund zwei Monate, in denen die Fairphones hergestellt werden. Länger dauert es nicht, 35.000 Stück zu produzieren.

Mit oder ohne Fairphone-Zuschlag: Die Arbeiter bei Guohong verdienen so nicht besser als ihre Kollegen bei Foxconn, das als besonders unfair gilt. Allerdings ist das Leben im Süden, wo die meisten Foxconn-Werke stehen, auch deutlich teurer.

Der Lohn reicht nicht, um eine Zukunft aufzubauen

Dazu kommt ein grundsätzliches Problem: „Mein Lohn reicht für mich“, sagt Arbeiter-Vertreter Zhu, „für eine Familie aber nicht.“ Noch hat der Mann keine Frau und Kinder. Und was ist später? „Wenn ich eine Familie gründen will, muss ich mir eine besser bezahlte Arbeit suchen“. So ist das in vielen chinesischen Fabriken. Die Produktion beruht darauf, dass Hunderte Millionen junger Leute für niedrige Löhne schuften. Bezahlung, die ermöglicht, sich eine Zukunft zu schaffen, ist nicht vorgesehen.

Damit widerspricht der Lohn in der Fairphone-Fabrik dem, was Kritiker wie Germanwatch oder die asiatische Fabriklohn-Kampagne immer wieder fordern: Die Unternehmen sollen „Existenzlöhne“ zahlen, die es Arbeiterfamilien auch ermöglichen, Kinder aufzuziehen, sie in die Schule zu schicken und fürs Alter anzusparen. Die Beschäftigten müssten dafür ungefähr doppelt so viel Geld bekommen.

„Wir haben das Ziel, allen Fairphone-Beschäftigten existenzsichernde Löhne zu zahlen“, sagt Tessa Wernink, die Sprecherin von Fairphone aus Amsterdam, die zur Wahl der Arbeitervertreter nach Chongqing gereist ist. Warum tun sie es dann nicht einfach? Um den Lohn für Arbeiter am Fairphone-Band für zwei Monate zu verdoppeln, müsste der Endverkaufspreis nur um 1 Euro pro Gerät steigen. Sollten für diese zwei Monate alle 700 Guohong-Arbeiter den Existenzlohn erhalten, würde das Fairphone nur um 13 Euro teurer.

Es sei nicht möglich, versucht Wernink eine Erklärung, die Beschäftigten am Fairphone-Band so deutlich gegenüber ihren Kollegen in den normalen Produktionslinien zu bevorzugen, die Smartphones für den chinesischen Markt fertigen. „Die würden sich benachteiligt fühlen. Das wäre eine Zerreißprobe für die Belegschaft und die Firma.“

Und könnten sie nicht einfach allen mehr zahlen? „Nach der Fairphone-Produktion, die nur zwei Monate dauert, müsste Guohong die Beschäftigten dann wieder auf den Normallohn zurückstufen“, sagt Wernink. Auch da würde die Firmenführung fürchten, dass Unzufriedenheit entsteht. Angesichts der geringen Gewinnmargen bei den normalen Smartphones, die Guohong in China verkauft, kann sich die Firma doppelten Lohn angeblich nicht leisten.

Ein großer Anspruch trifft hier auf die Realität. Das Fairphone ist nur in einigen Punkten sozialverträglicher als die Produkte der Großkonzerne. „Wir demonstrieren, dass strukturelle Verbesserungen möglich sind“, sagt Wernink und verweist auf den Sozialfonds. Man arbeite auch an einer Analyse, wie hoch der Existenzlohn sein sollte. „Das System auf den Kopf stellen können wir aber nicht. Dafür ist Fairphone augenblicklich noch zu klein.“

Auch bei Rohstoffen wie Zinn und Tantal stellen sich Fragen. Bisher kann allenfalls sicher gestellt werden, dass sich Warlords am Abbau nicht bereichern. Viel schwieriger wird das, wenn die Metalle die Minen verlassen. Das also soll fair sein, Herr van Abel?

Bas van Abel kann bei solchen Fragen schnell philosophisch werden. Er erzählt von der Balance zwischen Zerstörung und Schaffen, vom Bewusstsein für das Ökosystem des Konsums. Wer weiß schon, wie das Glas hergestellt wurde? Er deutet auf seinen Kaffee: „Es ist immer leichter zu sagen, was unfair ist.“

Van Abel ist Pragmatiker. Sein blaues Karohemd, seine leuchtend blauen Turnschuhe – alles nicht fair. „Es wird zu komplex, wenn man sich jeden Tag über alles Gedanken machen muss“, sagt er. Das Pragmatische ist auch Teil der Fairphone-Philosophie. Es muss nicht von Anfang an perfekt fair sein. Es reichen erste Schritte, so klein sie auch sind, wenn sie nur dazu führen, dass sich etwas bewegt. Bewegung: Das nennt er auch, was sie da machen.

Julia Otten von der Entwicklungsorganisation Germanwatch argumentiert ähnlich. „Boykott ist keine Lösung, weil es die strukturellen Probleme nicht löst.“ Sie hofft, dass andere Hersteller nachziehen. Und dass im Fairphone künftig noch mehr recycelte Materialien stecken werden, wie bislang schon beim Plastik. Das Gehäuse des Telefons besteht 85 Prozent aus Kunststoff, der früher etwa einmal ein Wasserkocher war. Oder die Hülle eines Computers.

Das pragmatische Prinzip ist aber für viele, die Konsum politisch verstehen, alles andere als akzeptabel. Faire Schokolade? Dann aber bitte auch so, dass alle Zulieferer und Verarbeiter von Kakao, Zucker und Milch sich einen guten Lebensstandard leisten können. Als kürzlich bekannt wurde, dass die Bezahlung von Saisonarbeitern in der Fairtrade-Branche oft dürftig und dieses Problem durchaus bekannt ist, regten sich viele Konsumenten furchtbar auf.

Denn ein Kompromiss wirft immer auch die Frage auf: Geht das nicht noch besser? Zumindest ein bisschen? Hier noch ein paar Dollar mehr, da noch eine Arbeitsstunde weniger.

„Das Fairphone ist auch unbequem für den Verbraucher“, sagt van Abel. Denn es zeigt nicht nur, was geht, sondern auch, was nicht. Oder noch nicht. Es ist daher genauso ein Gerät wie eine Kampagne. Indem die Firma sagt: Ja, hier steckt wahrscheinlich Kinderarbeit drin und bei 26 von 30 Metallen haben wir keine Ahnung von den Abbaubedingungen, sagt sie auch: Ihr glaubt doch nicht ernsthaft, dass es bei eurem iPhone, Samsung oder Nokia besser aussieht. Ein komplett faires Telefon, sagt van Abel, lasse sich vielleicht nie bauen. Immer, wenn man glaube, fertig zu sein, tauche etwas Neues auf. Die massenhafte Überwachung etwa – unfair. Und wer wisse schon, was in fünf Jahren zu einem fairen Telefon gehöre. Ganz geschweige denn in zehn.

Svenja Bergt ist Redakteurin im Ressort Umwelt und Wirtschaft der taz. Ihr Smartphone muss einen wechselbaren Akku, niedrige Strahlungswerte und Root-Zugriff bieten

Hannes Koch, 52, ist taz-Autor und freier Wirtschaftskorrespondent. Er hat 2011 bei Foxconn in Shenzhen recherchiert. Seit Anfang des Jahres benutzt er ein Fairphone