: „Rechtsstaat ausgesetzt“
taz: Herr Roggan, Sie wollen bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, um das neue Verfassungsschutzgesetz in NRW zu verhindern. Worauf stützen Sie ihre Beschwerde?
Fredrik Roggan: In der Novelle wird die verdeckte Online-Durchsuchung durch Polizei und Verfassungsschutz legalisiert. Außerdem wenden wir uns dagegen, dass der Verfassungsschutz an Internetangeboten und Chatrooms teilnehmen und mitdiskutieren darf. Dafür gab es bislang in Deutschland keine legalen Grundlagen. In beiden Fällen handelt es sich also um einen Probelauf des Gesetzgebers in NRW. Sollten die Regelungen Bestand haben, besteht die Gefahr, dass auch auf Bundesebene ähnliche Bestimmungen eingeführt werden. Dem wollen wir einen Riegel vorschieben.
Wurde die heimliche Online-Durchsuchung von Computern nicht schon vorher praktiziert?
Tatsächlich wurden diese verdeckten Internetausforschungen schon längere Zeit betrieben, allerdings ohne gesetzliche Grundlage. Dieser Meinung war zumindest ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof, der am 25. November in einem Beschluss feststellte: Diese Online-Durchsuchungen sind nicht genehmigungsfähig und daher illegal. Jetzt soll mit der Novelle in NRW diese Praxis erstmals auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden.
Warum sind diese Durchsuchungen rechtlich so brisant?
Hier soll erstmals die heimliche Durchsuchung fremder Gegenstände legalisiert werden. Man stelle sich nur einmal vor, was es für einen Aufschrei geben würde, wenn die heimliche Durchsuchung von Wohnungen legalisiert werden sollte. Hier sieht der Gesetzgeber mit gutem Grund vor, dass die Durchsuchung offen zu erfolgen hat. Es müssen sogar neutrale Personen hinzugezogen werden, wenn der Wohnungsinhaber nicht anwesend ist. Nur so kann eine Kontrolle der Maßnahme gewährleistet und jeglicher Missbrauch verhindert werden. Bei der heimlichen Internetüberwachung würden diese rechtsstaatlichen Mechanismen außer Kraft gesetzt.
Warum gab es nur einen kleinen Aufschrei nach der NRW-Novelle?
Es ist sicher richtig, dass die ganz großen Massen heute nicht für einen Protest gegen neue Überwachungsmethoden zu begeistern sind. Das war in den 1980er Jahren zur Zeit der Bewegung gegen die Volkszählung noch anders. Heute sind es neben den Bürgerrechtsorganisationen auch Einzelpersonen, die sich dagegen wehren und eben auch mittels Verfassungsbeschwerden juristisch dagegen vorgehen. Erfreulicherweise gibt es auch in Teilen der Computerszene eine große Sensibilität gegenüber Überwachungsbefugnissen. INTERVIEW: PETER NOWAK