Krawalle in Paris, Ausfälle in der Türkei

REAKTIONEN Frankreichs Behörden verbieten Demo, Palästina-Unterstützer gehen trotzdem auf die Straße

PARIS taz | Trotz eines behördlichen Verbots haben mehrere tausend Menschen am Samstagnachmittag in Paris bei einer Solidaritätskundgebung für Palästina gegen die israelische Intervention in Gaza demonstriert. Dabei kam es zu heftigen Auseinandersetzungen.

Die Pariser Polizeipräfektur hatte ein Demonstrationsgesuch zahlreicher Organisationen und Linksparteien abgelehnt, weil es am 13. Juli am Rande einer Palästina-Kundgebung in der Nähe von zwei Synagogen zu Ausschreitungen zwischen propalästinensischen und proisraelischen Aktivisten gekommen war. Im Anschluss an die Ausschreitungen vor einer Woche beschuldigten sich die Beteiligten gegenseitig, für die gewalttätigen Provokationen verantwortlich zu sein. Die beiden Synagogen an der rue de la Roquette und rue des Tournelles wurden nicht in Mitleidenschaft gezogen. Am Tag zuvor aber war im Vorort Aulnay-sous-Bois im Norden der Hauptstadt mit einem Molotowcocktail ein Brandanschlag auf eine Synagoge verübt worden. Die Behörden fürchteten deshalb am Samstag ähnliche Straßenschlachten zwischen den Anhängern der beiden Konfliktparteien.

Während die Kommunistische Partei (PCF) oder die „Association France Palestine Solidarité“ auf die Teilnahme verzichteten, riefen andere wie die trotzkistische NPA (Nouveau Parti Anticapitaliste) dazu auf, trotz des als „illegitim“ und „undemokratisch“ bezeichneten Verbots zu demonstrieren.

„Israel Mörder, Hollande Komplize“, riefen am Samstag die Demonstranten, die auch dagegen protestieren wollten, dass der französische Staatspräsident François Hollande sich nicht von der Politik der israelischen Staatsführung distanziert, sondern Benjamin Netanjahu gegenüber in einseitiger Weise seine „Solidarität“ versichert.

Die Demonstranten verbannten dagegen israelische Fahnen und trugen T-Shirts mit der Aufschrift „Boycott Israel“. NPA-Sprecher Alain Pojolat rechtfertigte den Appell trotz Verbot: „Angesichts der Eskalation in Gaza ist die Wut groß und will zum Ausdruck kommen.“

Am Samstag blockierte die Polizei fast alle Straßen im hauptsächlich von Immigranten aus dem Maghreb und Afrika bewohnten Quartier von Barbès. Sie antwortete auf Provokationen mit einem massiven Tränengaseinsatz. Im Gegenzug wurden die Beamten mit Wurfgeschossen angegriffen. 38 Personen wurden festgenommen.

Ähnliche Auseinandersetzungen ereigneten sich auch am Ende einer Demonstration in Brüssel. Ruhig verliefen dagegen zahlreiche andere Versammlungen und Straßenkundgebungen in Frankreich (Lyon, Marseille, Lille, Straßburg, Saint-Etienne, Toulouse, Montpellier, Bordeaux) und mehreren anderen europäischen Ländern. Einer der größten Protestmärsche gegen den Krieg im Gazastreifen fand am Wochenende in London statt, unter dem Motto: „Frieden, Gerechtigkeit und ein freies Palästina“.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat Israel derweil Grausamkeiten vorgeworfen, die sogar Hitler überträfen. Die Israelis verfluchten Hitler für den Holocaust, „aber jetzt hat der terroristische Staat Israel mit seinen Gräueltaten in Gaza Hitler übertroffen“, zitierte die Nachrichtenagentur Anadolu aus einer Rede des Politikers in der Stadt Ordu. Es war bereits der dritte Ausfall Erdogans gegen Israel in dieser Woche. Anfang der Woche hatte er der israelischen Knesset-Abgeordneten Ajalet Schaked „Hitler-Gesinnung“ vorgeworfen.

RUDOLF BALMER

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