: Familienleben in Schmutz und Chaos
Ein junges Ehepaar steht vor Gericht, weil es mit seinen drei kleinen Kindern in einer völlig verdreckten Wohnung gelebt hat. Zudem soll der Vater seinem Sohn Alkohol zu trinken gegeben haben. Der Vater streitet die meisten Vorwürfe ab
Wegen Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht muss sich seit gestern ein junges Ehepaar aus Hohenschönhausen vor dem Amtsgericht verantworten. Jan und Simone K. sind angeklagt, mit ihren drei Kindern im Alter zwischen fünf Monaten und zweieinhalb Jahren in einer völlig verwahrlosten Wohnung gelebt zu haben. Bei einer Hausdurchsuchung im Oktober 2006 kam die Polizei in Lichtenberg in eine chaotische 80-Quadratmeter-Wohnung, in der es von Hundekot, Schnapsflaschen und schmutzigen Windeln nur so wimmelte. Außerdem soll Jan K. seinem zweijährigen Stiefsohn Tim eine Flasche mit Alkopops zu trinken gegeben und eine Zigarette in den Mund gesteckt haben. Beide Ungeheuerlichkeiten wurden fotografiert mit einer von Nachbarn geliehenen Digitalkamera. Die entdeckten die Bilder auf der Speicherkarte und informierten das Jugendamt.
Jan und Simone K. sind verheiratet, haben zwei gemeinsame Kinder, das älteste Kind stammt aus einer anderen Beziehung. Zwei weitere Kinder der 28-jährigen Hauptschulabsolventin leben in Pflegefamilien. Simone K. ist klein und dick, ihre Antworten haucht sie nur in Richtung Richtertisch. So oft wie möglich dreht sie sich um und schaut zu ihrem großen, schlaksigen Gatten.
Der 25-Jährige mit der abgebrochenen Maurerlehre gibt sich redegewandt. In einem schlüssigen Vortrag spricht er jeden Punkt der Anklage an und serviert Erklärungen: Zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchung hätten sie zusätzlich zu ihren beiden Hunden noch einen Welpen aufgenommen. „Der hatte sich erschrocken und machte deshalb ins Kinderzimmer.“ Auch für die Alkopop-Flasche findet Jan K. eine Begründung: „In der Flasche war Wasser drin, weil Tim unbedingt aus dieser Flasche trinken wollte.“ Alkohol einflößen, so etwas käme nur in asozialen Familien vor.
Die Zigarette lässt sich nicht verharmlosen. Seine Frau hatte es bei ihrer Vernehmung mit der Version „Kaugummi-Zigarette“ versucht. In der Verhandlung jedoch tritt Jan K. die Flucht nach vorn an. Er müsse sich dafür nicht im Gericht entschuldigen, denn der Leidtragende sei der Zweijährige gewesen: „Ich habe mich bei Tim entschuldigt.“
Der Staatsanwältin zufolge sind die Angeklagten „völlig ungeeignet“, Kinder zu erziehen. Sie hätten aber Hilfsangebote des Jugendamts abgelehnt. Acht Zeugen hatte das Gericht geladen – sie äußerten sich sehr unterschiedlich. Nur über die Unordnung in der Wohnung waren sich alle einig. Belastend waren die Aussagen eines privaten Betreuungsdienstes, die Jan K. im Juli 2006 angeheuert hatte, weil er aus „Angst vor der engmaschigen Kontrolle“ nicht die kostenlose Hilfe des Jugendamts anfordern wollte. Die vier dort beschäftigten Frauen schilderten übereinstimmend den verwahrlosten Zustand der Wohnung. Zum Saubermachen fehlten Putzmittel und Wischlappen, nicht einmal einen Wassereimer habe es gegeben.
Eine Nachbarin schilderte dem Gericht die Worte des Stiefvaters an den weinenden Tim: „Halt dein Maul oder du kannst dich verpissen!“ Es sei dieselbe Tonlage gewesen, wie er mit seinen Hunden gesprochen habe, sagte die Zeugin. Sie und ihre Freunde hätten den Eindruck, dass die Hunde zuweilen aus Faulheit nicht ausgeführt wurden und deshalb ihr Geschäft auf dem Balkon erledigten. Einmal habe sie mitbekommen, dass die nur wenige Monate alte Tochter lange brüllte. „Doch es hat sich keiner bewegt“, so die Zeugin.
Die Kinder leben noch immer bei ihrer Mutter. Der Vater sitzt in Untersuchungshaft, weil er eine Nachbarin bedroht hatte, nachdem sie bei der Polizei belastende Aussagen gemacht hatte. Am 22. Februar soll das Urteil gesprochen werden. Uta Falck