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Archiv-Artikel

Israel vermisst einen Soldaten

NAHOST In drei Tagen sollen alle Tunnel im Gazastreifen zerstört sein. Die Mehrheit der Bevölkerung ist gegen einen Waffenstillstand

Über 600 Palästinenser wurden getötet – darunter eine deutsche Familie

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Der israelische Soldaten Oron Schaul gilt als tot und vermisst. Der 21-Jährige gehörte zu der siebenköpfigen Besatzung eines Panzers, der am Sonntag infolge eines technischen Defekts stecken blieb und nach Beschuss mit einer Panzerabwehrrakete explodierte. Sechs der Soldaten wurden tot geborgen. Die israelische Armee gab am Dienstag bekannt, dass der Leichnam von Oron Schaul vermisst wird.

Berichten des arabischen Nachrichtensenders al-Arabija zufolge bat Israel um deutsche Vermittlung, damit der tote Körper freigegeben wird. Ein Sprecher von Hamas bestätigte gegenüber dem TV-Sender al-Arabija, dass sich Schaul in ihren Händen befinde. Als Beweis nannte er die Erkennungsnummer des Soldaten. Ob er tot oder am Leben sei, sagte er nicht. Al-Arabija veröffentlichte ein Foto des vermissten Israelis.

Die Sorge, dass israelische Zivilisten oder Soldaten in die Hände der Hamas in Gaza geraten können, ist zentrales Motivation für die aktuelle Militäroperation. Vor acht Jahren gelang es Hamas-Kämpfern, den israelischen Soldaten Gilad Schalit zu entführen. Er war auf israelischem Gebiet überfallen und anschließend durch einen geheimen Tunnel in den Gazastreifen eingeschleust worden, wo ihn die Extremisten fünf Jahre in Geiselhaft hielten.

Bereits am Sonntag hatte die Hamas über die Medien kundgetan, einen israelischen Soldaten in ihrer Hand zu haben, was Israel zunächst dementierte. Im Westjordanland reagierten Hunderte Palästinenser auf die Nachricht mit Freudenfeiern.

Noch zwei bis drei Tage, so rechnet Israels Verteidigungsminister Mosche Jaalon, brauchen die Soldaten, um die geheimen Tunnel zwischen dem Gazastreifen und Israel zu finden und zu zerstören. Damit wäre ihre operative Mission erledigt. Ob die Truppen gleich anschließend abziehen, bleibt indes fraglich. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hält an der Offensive fest, solange Hamas weiter Raketen auf Israel abschießt.

Die Angriffe aus dem Gazastreifen gehen laut Heimatfrontkommando um etwa 30 Prozent zurück. Am Dienstag gelang den Extremisten zum ersten Mal ein direkter Treffer auf ein israelisches Wohnhaus, wobei niemand verletzt wurde. Die israelische Armee griff ihrerseits in der Nacht zu Dienstag 70 Ziele im Gazastreifen an, darunter laut al-Dschasira fünf Moscheen. Die Zahl der Toten unter den Palästinensern stieg auf über 600 an. Darunter befand sich laut dpa auch eine siebenköpfige Familie mit deutscher Staatsbürgerschaft. Mindestens 180 der getöteten Palästinenser sind nach Informationen der israelischen Armee Terroristen.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der am Dienstag in Israel eintraf, rief zu einer sofortigen humanitären Feuerpause für mehrere Tage auf. Eine erneut auf nur wenige Stunden begrenzte Einstellung der Kampfhandlungen lehnte Israel ab. Laut einer in der regierungsnahen Tageszeitung Israel Hajom veröffentlichen Umfrage sind 77 Prozent der Israelis gegen einen Waffenstillstand. 71 Prozent der Befragten treten sogar für eine Ausweitung der Offensive ein.