: TÜV auf dem Prüfstand
Gestern mussten mehrere TÜV-Mitarbeiter vor dem Transrapid-Ausschuss aussagen. Schuld an dem tödlichen Unglück sei eine nicht aktivierte Sperre
VON KAI SCHÖNEBERG
Märklin oder Fleischmann haben sie im Angebot: Eine Sperre, die verhindert, dass zwei Modellloks auf der Strecke aufeinanderprallen. Auch die Transrapid-Versuchsstrecke im emsländischen Lathen hat eine so genannte Blocksicherung, die automatisch eine Notbremsung auslöst, sobald ein Zug in einen Streckenabschnitt mit einem weiteren Fahrzeug schwebt. Da die Blocksicherung am 22. September 2006 am Computer im Leitstand nicht aktiviert war, kam es offenbar zum Unglück, bei dem 23 Menschen den Tod fanden.
„Es gibt ein Schreiben von mir“, sagte Winfried Steinert vom TÜV Rheinland gestern im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der die Ursache der Tragödie ergründen soll. In diesem Schreiben an die Transrapid-Betreibergesellschaft IABG habe er betont, dass der TÜV nicht nur empfehle, die Sperre einzuschalten, sondern dass es „eine Fahrwegsperre geben muss“. Das war allerdings erst nach dem Unglück.
„Er hatte nach meiner Berechnung 170 Stundenkilometer drauf und es wurde keine Bremsung ausgelöst“, sagte Steinert über den Transrapid, der auf einen ungesichert auf der Strecke abgestellten Werkstattwagen geprallt war. „Mir ist zugetragen worden, dass die IABG das Einlegen der Sicherheitssperre nur als Empfehlung sieht“, sagte der TÜV-Mann. „Wenn alle Regeln eingehalten worden wären, hätte der Unfall nicht passieren können.“
Auch bei der gestrigen Ausschuss-Sitzung spielten Regierungs- und Oppositions-Leute das bekannte Schuldzuweisungsspiel: Während CDU- und FDP-Abgeordnete nachweisen wollen, dass der Unfall auf menschliches Versagen zurückzuführen ist, vertreten SPD und Grüne die Meinung, dass die Landesregierung ihre Genehmigungsbehörde, das Landesamt für Straßenbau und Verkehr, nicht im Griff hatte. „Der TÜV hat nur oberflächlich geprüft“, wetterte der Grüne Enno Hagenah, nachdem ein TÜV-Mitarbeiter erzählt hatte, dass er nur einmal im Jahr einen halben Tag im Emsland verbringt. Allerdings berichtete sein Gutachter-Kollege Steinert später, dass der TÜV Rheinland mindestens einen Mitarbeiter ständig mit der Strecke beschäftigt. Zur Zeit seien es sogar zwei bis drei Gutachter, da die neue Transrapid-Version 09 im Juni in Betrieb gehen soll, sagte TÜV-Mann Steinert.
Auch an der Frage, ob Deutsche Bahn und Eisenbahnbundesamt (EBA) zwischen 2002 und 2004 darauf hinwiesen, dass dem Landesamt die Aufsicht über die Strecke zu entziehen sei, weil es die Strecke nicht im Griff habe, scheiden sich die Geister: Die Landes-Aufsicht berge „erhebliche Sicherheitsrisiken für kommerziellen Betrieb und Transrapid Versuchsanlage“, hatte die Bahn im November 2003 geschrieben. „Erhebliche Sicherheitsrisiken“ könnten vermieden werden, wenn EBA statt Land zuständig sei. Darin sieht aber nur eine Seite einen Beweis für die Unfähigkeit der Landesbehörde. Der Bahn sei es doch nur um die mit dem Auftrag verbundene „Geld und die Erfahrungsgewinnung“ für den geplanten Münchner Transrapid gegangen, sagte Ausschuss-Vorsitzender Harald Noack (CDU). Seine Begründung: Das Ansinnen sei später nicht weiter erörtert worden. Zudem, so heißt es aus dem Wirtschaftsministerium, wäre die Übertragung auf das Bundesamt juristisch gar nicht möglich gewesen.
Am Montag tritt Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) im Ausschuss auf. „Der kommt da nicht in die Bredouille“, sagt Noack. „Was mit dem Transrapid zu tun hat, wird doch nicht auf Minister-Ebene verhandelt.“