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Auch Sozis wollen mal privat telefonieren

■ Bonner Regierungskoalition und SPD einigen sich auf einen Kompromiß für das neue Telekommunikationsgesetz: Liberalisierung des Marktes nur für Großkonzerne

Bonn (rtr/taz) – Wolfgang Bötsch glaubt sein Ziel schon erreicht zu haben. Deutschland werde den „liberalsten Telefonmarkt“ Europas haben, sagte er gestern vor der Presse. 1998, so hat der EU-Ministerrat beschlossen, sollen in Europa Telefon- und andere elektronische Kommunikationsdienste von den alten nationalen Monopolen befreit werden. Seit Monaten verhandelten Regierung und Opposition in Bonn über den Gesetzesentwurf, mit dem der letzte Rest des deutschen Postmonopols beseitigt werden soll. Der Kompromiß, der gestern gefunden worden ist, sieht vor, daß die Vergabe von Telefonlizenzen an gewisse Minimalbedingungen gebunden ist. Private Telefongesellschaften sind grundsätzlich verpflichtet, ihre Dienste flächendeckend anzubieten, sie müssen diese Bedingung jedoch erst in ein paar Jahren erfüllen. Insbesondere dürfen sie ihre Kunden auch mit Funkstrecken an lokale und regionale Knoten ihrer festen Leitungen anschließen.

Die SPD hatte ursprünglich verlangt, daß private Telefongesellschaften nur zugelassen werden dürfen, wenn sie einen „flächendeckenden Universaldienst“ anbieten. Bötsch und die FDP wollten dagegen auch kleinere Gesellschaften mit lediglich lokalen Netzen eine Marktchance einräumen. Sie wären nach den Vorstellungen der SPD von vornherein vom künftigen Markt ausgeschlossen gewesen.

Auch nach dem jetzt formulierten Kompromiß haben sie einen schweren Stand. Tatsächlich sind lediglich fünf deutsche Großunternehmen (Veba, Viag, Thyssen, RWE und Mannesmann) tatsächlich in der Lage, in ein paar Jahren selbst entlegene Randgebiete mit ihren eigenen Leitungen zu erreichen. Branchenkenner rechnen zudem, daß selbst die fünf Großen zusammen nur etwa 25 Prozent der heutigen Telekomkunden abwerben können.

Der Vorsitzende des Post-Bundestagsausschusses, Arne Börnsen (SPD), rechnet denn auch heute schon damit, daß es zu bundesweiten „Kooperationen“ kommen werde. Auch Thyssen-Chef Dieter Vogel sieht nur eine Chance in noch größerer Konzentration. Wahrscheinlich, sagt Vogel voraus, werden in Deutschland nur drei Telefongesellschaften überleben, die aber mit mehreren regionalen Unternehmen zusammenarbeiten könnten.

Der Kompromiß wird jetzt in den Bundestag eingebracht. Da die Abschaffung des Postmonopols für Telefongespräche einer Änderung des Grundgesetzes bedarf, kann der Gesetzesentwurf nur mit einer Zweidrittelmehrheit angenommen werden. Auch der Bundesrat muß ihm zustimmen. nh

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