: SPD lechts-rinks-verwirrt
■ Suche nach neuer FraktionschefIn bringt das SPD-Lager durcheinander: Gesucht wird linker „Wasserträger oder Ackergaul“ Von Florian Marten
Der sozialdemokratische Adrenalinspiegel steigt. Der filzversüßte Abgang des frustrierten SPD-Fraktionsvorsitzenden Günter Elste – neo-altrechts und Wandsbek-connected – zur Hamburger Hochbahn AG mischt die Mandatsträger der Rathaus-SPD auf. Mit der halblinken Dorothee Stapelfeldt aus Nord, dem altlinken Jan Ehlers (ebenfalls Nord) und dem neo-altlinken Walter Zuckerer aus Altona rangelt jetzt ein Trio, das dies eigentlich gar nicht tun dürfte. Denn: Nach dem ungeschriebenen, aber eisernen Gesetz der Hamburger SPD muß der Fraktionschef dem rechten Lager entstammen.
Doch die arme Rechte hat bislang keinen vorzeigbaren Kandidaten aufgetrieben. Der blasse Rolf Lange winkte in kluger Selbstbescheidung gleich ab, und Werner Hackmann, schon als Innensenator über die Grenze seiner persönlichen Leidensfähigkeit hinaus strapaziert, widersetzt sich bisher standhaft zu kandidieren.
So sieht sich unverhofft die sogenannte SPD-Linke in der Pflicht, eine KandidatIn zu gewinnen, die, wie führende Rechte es inzwischen formulieren, als „konsensuale Lösung“ durchgehen könnte. Eine Richtungsentscheidung für Rot-Grün steht nicht auf der Tagesordnung.
Statt dessen fahnden alle Lager nach einem linken „Wasserträger oder Ackergaul“, der Voscheraus Rot-Grau brav bis zur nächsten Wahl schleppt, wie eine Sozialdemokratin spöttisch gegenüber der taz anmerkte. Für Voscherau wird das Regieren damit höchstwahrscheinlich noch leichter. Zwischen dem Gespann Elste/Voscherau kriselte es seit längerem. Alle linken KandidatInnen aber haben Voscherau in den letzten Jahren stramme Loyalität bewiesen.
Bei der Kür des geeigneten Ackergauls hat die SPD-Linke jedoch Identitäts- und Verfahrensprobleme: Soll man den Rechten die Auswahl überlassen? Soll Voscherau solo entscheiden? Darf und muß sich Parteichef Jörg Kuhbier einmischen? Um politische Inhalte geht es dabei kaum – hauptsächlich um persönliche Vor- und Haßlieben. Dabei gilt Dorothee Stapelfeldt als Voscheraus und Ortwin Rundes Darling – und damit als Favoritin –, wird aber wegen ihrer verbissen-technokratischen Art und ihres unverhohlenen Dranges nach einem Senatsposten nicht sonderlich geschätzt. Jan Ehlers, nach Dienstalter und Kompetenz sicherlich erste Wahl, dürfte nicht nur die alte Feindschaft mit Voscherau zum Verhängnis werden: Er gilt als unheimlich und undurchschaubar, als knallharter Machtpolitiker, dem Loyalität nur Mittel zum Zweck ist. Bleibt Außenseiter Walter Zuckerer: Ihn finden inzwischen sogar einige Rechte ganz nett – weil harmlos und umgänglich, aber klug und witzig. Lechts und rinks kann man nicht verwechseln – oder?
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