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Preisgekrönte Abschiebung

■ Ein 16jähriger Libanese wird für Film über sein Flüchtlingsschicksal in Hamburg ausgezeichnet – und soll abgeschoben werden Von Patricia Faller

Öffentlich gefeiert und von Abschiebung bedroht: Als Preisträger bei diversen Videowettbewerben schüttelte der 16jährige Hassan el Mokdad der Schulsenatorin Rosemarie Raab am Freitag bereits zum dritten Mal die Hand. Diesmal für den Film „Zurück nach Beirut“, eine Dokumentation seines Schicksals als Bürgerkriegsflüchtling in Hamburg. Gedreht haben ihn einstige MitschülerInnen der Förderschule Pröbenweg in Hamm.

Als Hassan vor fünf Jahren an ihre Schule kam, war's nicht leicht mit ihm, erinnern sich SchülerInnen im Film. Später wählten sie ihn zum Schulsprecher. Geprägt durch den Bürgerkrieg war er unkonzentriert, jedes Geräusch machte in verrückt. Er brachte Waffen mit in die Schule und versuchte, sie an jüngere Mitschüler zu verkaufen.

„Es ist schon erstaunlich, daß der Film gleich vier Preise gewonnen hat, obwohl er allzu deutlich die Unmenschlichkeit der deutschen Asylpolitik zeigt“, kommentiert ihr Lehrer Willi Winkelmann den Erfolg. Denn mit der Abschiebung müssen die el Mokdads täglich rechnen, seit der Libanon wegen der Friedensbemühungen im Nahen Osten nicht mehr als Kriegsgebiet gilt.

Zum ersten Mal akut wurde es vor 14 Monaten: Hassan und seine Klasse hatten mit dem Video „Alles Müll“ den Bundesumweltpreis gewonnen und sollten für drei Tage nach Bonn reisen, um das Preisgeld von 5000 Mark entgegenzunehmen. Aber gleichzeitig wurde bekannt, daß Hassan nur noch zwei Tage in Deutschland bleiben dürfe. „Nicht ohne Hassan“, sagten seine SchulfreundInnen. Und so sorgten sie für gehörigen Pressewirbel, bestürmten PolitikerInnen und BehördenvertreterInnen – erfolgreich: Die Abschiebung des Ehepaars el Mokdad und ihrer vier Kinder im Alter von 11 bis 16 Jahren wurde hinausgezögert.

Doch es gibt noch einen anderen Grund: Ein Sachbearbeiter der Ausländerbehörde hatte vor drei Jahren ihre Pässe für 150 Mark das Stück an einen Unbekannten verkauft; gegen ihn läuft ein Ermittlungsverfahren. Erst seit wenigen Monaten bemüht sich die Behörde um neue Papiere. Derweil muß sich die Familie alle vier Wochen bei der Ausländerbehörde melden, jedesmal in der bangen Erwartung: Wird der Aufenthalt verlängert, oder werden wir abgeschoben?

Hassan rechnet sich keine großen Chancen aus, hierbleiben zu dürfen, um eine Lehre als Automechaniker zu machen. In seiner Heimat fürchtet er aber immer noch Krieg und Unruhe, so wie er es zehn Jahre lang erlebt hat. Ob er noch Freunde hat in Beirut? Das weiß er nicht. Im Film erinnert er sich anhand eines Fotos: „Der hat einen Arm verloren. Der da ist tot. Der hat einen Granatsplitter ins Auge bekommen.“

Der Film ist gegen eine Spende zu beziehen bei der Förderschule Pröbenweg, Telefon 219 10 67.

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