: Gerüchte vom kranken Chef
■ „Rumor“: Ein neuer Verein bietet in Hamburg Seelenmassage speziell für Mobbing-geplagte Führungskräfte an Von Ulrike Winkelmann
Auch Vorgesetzte werden gequält, wovon sogar taz-RedaktionsleiterInnen ein Lied singen können. Ob Intrigen kleingeistiger Schmöcke oder böse Nachreden halbwüchsiger VolontärInnen – den Opfern solcher Machenschaften will nun der Verein Rumor zur Seite stehen.
Bei Rumor kämpfen inzwischen 25 Führungskräfte, UnternehmensberaterInnen und UnternehmerInnen vereint nach dem Wahlspruch: „Wenn das Gute schweigt, bekommt das Böse die Überhand.“ Ihr Einsatz gilt dem Erhalt der Arbeitsfähigkeit von MitarbeiterInnen in den Betrieben, denn: „In einigen Firmen kommen die Angestellten kaum noch zum Arbeiten, da die ganze Zeit für Intrigenspiele draufgeht“, so Loni Lüke, stellvertretende Vorsitzende von Rumor (lateinisch: Gerücht) und Leiterin der Hamburger Zweigstelle.
„Wir wollen nicht der 23. Mobbing-Verein sein“, meint sie – um die Belange von ArbeitnehmerInnen, die am Arbeitsplatz unter Druck gesetzt werden, kümmern sich schon andere. Ihr, die nach eigenen Worten über einen „ausgeprägten Gerechtigkeitssinn“ verfügt, liegt das Wohl und Wehe von UnternehmerInnen und leitenden Angestellten am Herzen. Schauderhaft die Geschichte einer Sekretärin, die in einer Firma das Gerücht verbreitet hatte, ihre Chefin sei krank und deshalb vergeßlich und unzuverlässig. Solcher Rufmord, so ist einer Broschüre des Vereins zu entnehmen, „ist ein Angriff auf die Menschenwürde“ und könne schlimmste persönliche Konsequenzen haben.
Rumor will an UnternehmerInnen herantreten und ihnen bei der Rufmord-Prävention unter die Arme greifen, ihnen helfen, Intrigen zu erkennen und am Betriebsklima zu arbeiten. Dieses, so Loni Lüke, sei häufig „geprägt von Angst, Mißtrauen, Neid und mangelnder Offenheit“. Man müsse den Leuten klarmachen, daß es einen qualitativen Unterschied zwischen normalem „Kollegen-Klatsch“ und Rufmord, der schlimmsten Mobbing-Stufe nach Gerücht und Intrige, gebe. Entscheidendes Kriterium sei hier die böse Absicht.
Intensität und Schärfe des Mobbings habe zugenommen, sagt Loni Lüke. Immer häufiger würden Chefs von Angestellten des Mobbings geziehen und auf diese Weise selbst gemobbt. „Wenn ein Vorgesetzter von einem Arbeitnehmer mehr Leistung fordert, dann kann der heutzutage sagen, der Chef setzt mich unter Druck.“ Noch vor wenigen Jahren hätte das keinE ArbeitnehmerIn gewagt. Viele Menschen seien derartigen Existenzängsten ausgesetzt, daß sie schon an anderer Leute Stühle sägten, nur um ihren eigenen zu erhalten. Natürlich seien es „nicht die Guten“, die so etwas nötig haben, sondern „die Schlechten“, die sich stärker bedroht fühlen als die „Leistungsträger“ und deshalb versuchten, diesen „etwas anzuhängen“. Loni Lükes erschütterndes Ergebnis: „Zur Durchsetzung eigener Ansprüche ist es so leicht geworden, andere Leute ins unrechte Licht zu rücken.“
Rumor, Geschäftsstelle Nord, Eckloßberg 17, 22391 Hamburg,
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen