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Patrick, ausgerechnet Patrick erledigt Irland

■ Nach zwei Kluivert-Toren zum 2:0 im EM-Play-off gelten die Niederlande als Mitfavorit – und die Iren müssen ohne EM und wohl auch ohne Jack Charlton leben

Liverpool (taz) – Das wäre ja auch keine Art gewesen, sich von den Fans zu verabschieden. Am Ende kam Jack Charlton, der Trainer der irischen Fußball-Nationalmannschaft, doch noch mal aus der Kabine und wurde gefeiert, als hätte sein Team soeben die EM gewonnen. Haben sie nicht: Nach der 0:2-Niederlage gegen die Niederlande im Entscheidungsspiel um den letzten freien EM-Platz werden die Iren im nächsten Jahr in England nicht einmal dabei sein.

So war der Abschied von Jack Charlton (60) wohl endgültig. Das mögen die Fans geahnt haben, auch wenn sich gestern bei einer Umfrage 80 Prozent für ein Weitermachen aussprachen. Als man ihm die Zukunftsfrage nach dem Spiel stellte, schnauzte er zwar die Reporter an und erklärte, daß er sich jetzt auf Weihnachten und seinen Spanienurlaub freue. Doch zweifelt eigentlich niemand daran, daß er seine Mütze nehmen wird.

Mit ihm freilich müßte die halbe Mannschaft in Pension gehen. Sechs Spieler, die am Mittwoch auf dem Platz standen, sind über 30, Mittelstürmer John Aldridge bereits 37 Jahre alt. Und das merkte man auch. Früher konnte das Team die beschränkten spielerischen Mittel durch Kampfgeist wettmachen. Charltons Bilanz von nur 17 Niederlagen in mehr als 90 Spielen beweist das. Am Einsatz lag es auch diesmal nicht, aber man hatte stets den Eindruck, daß die holländischen Verteidiger weit torgefährlicher waren als die irischen Stürmer.

Tony Cascarino etwa ist ein netter Kerl, aber er wirkte schon nach dem Warmlaufen ausgepumpt. Und ein technisch völlig unbedarfter Verteidiger wie Terry Phelan, der bei Manchester City meist die Ersatzbank schmückt, ist nun mal kein Linksaußen. Merkwürdig war eigentlich nur, wie oft die niederländische Abwehr gegen die biederen Iren in Panik geriet. Vielleicht war man auch verwirrt, weil Trainer Guus Hiddink zwei Verteidiger mit der Rückennummer 6 auf den Rasen geschickt hatte.

Die Holländer sind eine spielerische Bereicherung für die EM, das ist keine Frage. Wer vorgestern das gekonnte Kombinationsspiel gesehen hat, muß sie wohl zu den Favoriten zählen. Die Iren wären beides nicht gewesen. Schade ist es aber für die irischen Fans. Es sind die besten der Welt: so laut und ausgelassen wie die SüdamerikanerInnen, andererseits ohne bei einer Niederlage gleich an den Weltuntergang zu denken. Hauptsache, es war ein schönes Fest.

Das Volksfest begann am Mittwoch bereits vor Sonnenaufgang. Die ersten der mehr als 50 Sonderflüge starteten kurz vor sieben. Auf dem Dubliner Flughafen spielte eine Skiffle-Gruppe, das Flughafenpersonal hatte zum Zeitvertreib für die Fans eine Torwand aufgebaut, und grün gekleidete Weihnachtsmänner verteilten Süßigkeiten an die Kinder.

Da der Flug nach Liverpool nur 20 Minuten dauert, war die irischste Stadt Englands schon in der Hand der Fußballfans, bevor ihre EinwohnerInnen aufgestanden waren. Gegen Mittag konzentrierte sich alles auf Flanagan's, eine irische Kneipe in der Mathew Street gleich neben dem alten Cavern Club, wo dereinst die Karriere der Beatles begann. In einer Querstraße, der Stanley Street, debattierten zwei Fans darüber, ob sie ihren Lunch im „Algarve“, einem portugiesischen Restaurant, einnehmen sollten. Schließlich entschieden sie sich dagegen: Es wäre ein schlechtes Omen gewesen, hatte man doch wegen der Niederlage von Lissabon in das Entscheidungsspiel gemußt.

Auch dieser Verzicht nützte nichts. Aber als die irischen Fans nach dem zweiten holländischen Tor kurz vor Schluß die Liverpool- Hymne „You'll never walk alone“ anstimmten, gehörte das Stadion ihnen. Patrick Kluivert (19) hatte auch dieses Tor geschossen – ausgerechnet Patrick, der Name des irischen Schutzpatrons!

Seit dem Rückflug diskutiert man bereits über die Qualifikation für die WM in drei Jahren, für die den Iren ein gnädiges Los beschert wurde. Rumänien hat man ja bei einer Weltmeisterschaft schon mal besiegt: im Elfmeterschießen zwar, aber immerhin. Und die Rache an Liechtenstein, das mit einem Unentschieden im Sommer den Untergang der Iren eingeleitet hatte, ist eh überfällig. Ralf Sotscheck

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