: Offensive gegen den Kraken
■ Hamburgs „Konzertierte Aktion gegen Scientology“ will das Outing von Umwandlungsspekulanten der Sekte juristisch durchsetzen Von Thomas Koch
Sie tagte hinter verschlossenen Türen, und sie diskutierte über ein brisantes Thema: Am Mittwoch voriger Woche traf sich die Hamburger „Konzertierte Aktion gegen Scientology“, bestehend aus VertreterInnen der Hamburgischen Handelskammer, des Ring Deutscher Makler (RDM), des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen und der beiden Hamburger MieterInnenvereine Mieter helfen Mietern und Mieterverein zu Hamburg. Der Anlaß war ein verfahrenes Verfahren; das Ergebnis ist eine neue Offensive gegen die Praktiken von Scientologen auf dem Hamburger Wohnungsmarkt.
In jenem Verfahren vor dem Hamburger Landgericht war dem Mieterverein jüngst vom Vorsitzenden Richter Dieter Krause nahegelegt worden, Immobilienhändler in Zukunft möglichst gar nicht oder höchstens bei eindeutiger Beweislage mit der Scientology-Sekte in Verbindung zu bringen. Vor allem die vom Mieterverein zusammengetragene „Giftliste“ von Wohnungsspekulanten, die dem „Kraken Scientology“ angehören oder zumindest sehr nahestehen, dürfte in der jetzigen Form – so deutete Krause an – kaum den Segen seiner Kammer finden. Der sich hauptberuflich im Recht befindende Krause legte dem Mieterverein nahe, sich mit der Gegenseite bis zum heutigen Montag um eine „gütliche und einverständliche Erledigung des Rechtsstreits“ zu bemühen.
Die Konzertierte Aktion übte bei ihren Beratungen am Mittwoch massive Richterschelte. Die Sichtweise des Landgerichts, Scientologen erst nach Begehung von Straftaten nennen zu dürfen, sei unhaltbar. Scientologen und deren Umkreis, die aufgrund ihrer Umwandlungspraktiken MieterInnen erheblich verunsichern, müßten namentlich genannt werden dürfen, befand die Konzertierte Aktion und beschloß, sich offiziell hinter den Mieterverein zu stellen und ihn in diesem Rechtsstreit zu unterstützen. Gemeinsam wollen sie ebenfalls einen Spendenaufruf zur Abdeckung der dem Mieterverein entstehenden Prozeßkosten starten.
Zudem soll ein Gutachten eingeholt werden, das bestätigt, daß die speziellen Umwandlungsmethoden von Scientology-Spekulanten, von denen sich MieterInnen unter Druck gesetzt fühlen, durch die Technik des Sektengründers L. Ron Hubbard bestimmt sind. Weiter soll das Gutachten belegen, daß Scientologen sich auch bei ihren beruflichen und wirtschaftlichen Tätigkeiten nach dem hierarchischen Kommando- und Weisungssystem von Scientology zu richten haben.
Eine solche Expertise, so hoffen die konzertierten AktionistInnen, könnte die Sekten-Behauptung widerlegen, die berufliche Tätigkeit der Umwandler hätte mit ihrer Zugehörigkeit zu der „Religionsgemeinschaft“ rein gar nichts zu tun, so daß das Outing von Scientologen gegen Grund- und Persönlichkeitsrechte verstoße.
Doch da ein solches Gutachten noch nicht vorliegt, will der Mieterverein heute fristgemäß dem Landgericht seine Einigungsbereitschaft signalisieren. So könnte die Auflistung sektennaher Profi-Spekulanten einen neutraleren Namen, etwa „Umwandlerliste“, bekommen.
Zudem will der Mieterverein vorschlagen, die Listen-Streitigkeiten statt vom Gericht von der „Einigungsstelle für wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten“ der Handelskammer klären zu lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen