: Stimme als Kanu
■ Fragen an das TripHop-Duo Earthling
Rapper Mau und Produzent T Saul sind das gemischte Doppel Earthling. Vor drei Jahren trafen sie sich in London und nahmen gleich beim ersten Treffen das düster schwingende „I Could Just Die“ auf. Bei diesem Stück als White-Label sollte es bleiben, bis ihnen Chrysalis einen Album-Deal bot. Ihr Trip-Hop-Debut in der Tradition von Portishead, mit denen sie arbeiteten, Massive und Tricky wurde bei T Saul zu Hause aufgenommen – in einer Kirche, in der in den 50er Jahren die verrückten Kray-Zwillinge, ein Gangsterpaar, hauste. Zu ihrem Namen Earthling, Erdling, kamen sie über ihre Begeisterung für Science-Fiction B-Movies aus den 50er Jahren, wo Außerirdische Menschen so nennen. Rapper Mau, vorigen Freitag im Mojo-Club zu Gast, stand taz hamburg Rede und Antwort.
taz: Portishead wird schon als Unterlage für Sexszenen in Filmen benutzt. Blüht euch das auch?
Anders als bei Portishead gibt es bei uns vielleicht mehr Ironie. „I Still Love Albert Einstein“ ist etwa ein Liebesbrief an den Physiker. Bei der Produktion versuchen wir Irritationsmomente einzubringen, die eine Untermalung von Sexszenen vielleicht verhindert. Sobald im Studio ein Unfall passiert, wachen wir auf und versuchen genau das, was der Techniker scheiden will, zu benutzen.
Wie das unerträgliche Brummen bei „Dust“?
Ja, das ist ein Feedback, das im Kreis wieder in das Aufnahmegerät zurückkam. Einmal haben wir Schlüssel in ein Klavier gelegt, um einen metallischen Klang zu erreichen. Dabei ist der Techniker aus dem Studio gerannt, weil er glaubte, wir wollen nun alles kaputtmachen. In der Folge lehnte er dann jede Verantwortung für uns ab.
Sind deine mysteriösen Texte der Gegenpol zu diesem dennoch recht kalten technifizierten Sound?
Ich sehe meine Stimme als ein Kanu in einem reißenden Fluß, der für die technische Seite steht. Technologie ist zwar stark und kann dich verschlucken, aber sie ist auf der anderen Seite immer flüssig, fließend. Das haben wir auch in unserem „Nefisa“-Video gezeigt, wo ich in einem alten Schaukelstuhl auf einem Fluß treibe.
In „Nefisa“ wollt ihr Castro schreiben. Was würde in dem Brief stehen?
Ich würde ihm eine Run DMC-Kappe schicken, damit er nach seiner Pensionierung Golf spielen kann. Ansonsten ist das Stück sehr heterogen und beginnt damit, wie jemand Flugzeuge am Himmel betrachtet. Wir arbeiten nicht sehr logisch bei den Texten und sind mehr an Klang und Assoziationen interessiert als an der Bedeutung. So funktioniert ja auch Sampling.
Woher nimmst du deine gewaltgeladenen Metaphern? Etwa von Bataille?
Ich kann mit Die Geschichte des Auges viel anfangen. Dabei verstehe ich sie nicht als Phantasie, sondern halte sie für wirklicher als die Wirklichkeit. Viel habe ich aber von dem US-Rapper Nas gelernt, der vielleicht ein moderner Nachfahre Batailles sein könnte.
Volker Marquardt
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