: Regierung rechnet nicht: Beispiel Bahnreform
■ Grundstückverkäufe unübersichtlich und Einnahmen nicht angekommen
Wer haushalten will, muß erst einmal dafür sorgen, daß die Einnahmen stimmen. Das weiß jeder – nur die Bundesregierung nicht.
Zum Beispiel bei der Bahnreform: Darin ist festgeschrieben, daß ab Januar 1994 alle „nichtbahnnotwendigen“ Grundstücke dem sogenannten Bundeseisenbahnvermögen (BEV) gehören. Diese dem Verkehrsministerium untergeordnete Behörde ist im Grunde eine Verwalterin der Schulden, die die Bundesbahn und Reichsbahn in den letzten Jahrzehnten zusammengefahren haben. Um diese Schulden zu tilgen, bekommt das BEV nicht nur viele Millionen Mark aus Theo Waigels Haushaltskasse, sondern soll auch diese „nichtbahnnotwendigen“ Immobilien zu Geld machen.
Doch bis heute hat das BEV nicht eine einzige seiner Liegenschaften verhökert – angeblich gab es keine entsprechenden Verwaltungsstrukturen. Das hat dafür die privatwirtschaftlich arbeitende Bahn AG übernommen. Die sah es aber offenbar nicht für nötig an, dem Eigentümer BEV die Einnahmen sogleich zu übergeben. Erst Anfang 1996 hat die Bahn AG erstmals 500 Millionen Mark überwiesen, die sie möglicherweise schon 1994 eingenommen hat. Vielleicht hat sie auch schon 800 Millionen Mark erzielt.
Offenbar weiß die Bahn AG selbst nicht, wieviel Geld sie durch den Verkauf erlöst hat. Es gab Buchhaltungsprobleme, heißt es. „Daher wurde nunmehr eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beauftragt, die Höhe der von der DB AG für das BEV vereinnahmten Verkaufserlöse nachträglich zu ermitteln“, moniert der Rechnungshof. „Diese Kosten wären vermeidbar gewesen“.
Die Buchhaltungsprobleme sind ausgeräumt, meldete das Verkehrsministerium gestern. Jetzt will es der Bahn AG die Verwertung der BEV-Liegenschaften ganz offiziell zuschanzen. Ein Bahn-Tochterunternehmen soll die restlichen auf 13,4 Milliarden Mark veranschlagten Grundstücke versilbern. Daß das BEV so weniger einnimmt als möglich und die Staatskasse stärker belastet wird als nötig, hält der Rechnungshof für sehr wahrscheinlich. Schon bei der Bestandsaufnahme der Bahn- Immobilien sind dem BEV Grundstücke für vier Milliarden Mark abgenommen worden, die jetzt für teure Projekte wie Stuttgart 21 verwendet werden. Annette Jensen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen