: Medizinische Hilfe auch für Illegale
■ Das erste Büro für medizinische Flüchtlingshilfe vermittelt an Flüchtlinge kostenlose Behandlung bei Ärzten. Behörden weigern sich oft, Behandlungskosten auch bei Notfällen zu übernehmen
Wer als Flüchtling in Berlin krank wird, bekommt große Probleme. Denn obwohl laut einer Grundsatzentscheidung des Oberverwaltungsgerichtes alle Flüchtlinge, die nicht abgeschoben werden können, einen Anspruch auf medizinische Versorgung haben, halten sich manche Behörden nicht daran. Sozialämter verweigern Krankenscheine, Sachbearbeiter lehnen die Kostenübernahme unter anderem bei Bürgerkriegsflüchtlingen ab mit der Begründung, die „Einreise in die BRD“ sei nur zum Zwecke der Behandlung erfolgt. „Jede Untersuchung“, so Renate Wilson-Gemkow von der Zentralen Beratungsstelle für Flüchtlingsarbeit, „muß mühevoll mit unserer Hilfe durchgesetzt werden“.
Dem soll nun das erste Berliner Büro für medizinische Flüchtlingshilfe bei der Forschungsgesellschaft Flucht und Migration abhelfen, das gestern seine Arbeit aufnahm. Es wird vorerst zweimal wöchentlich Termine bei Ärzten, Zahnmedizinern, Heilpraktikern, Hebammen und Krankengymnasten vermitteln, die sich bereit erklärt haben, mit dem Büro zusammenzuarbeiten und Flüchtlingen kostenlos zu helfen. „In Berlin sind das mittlerweile etwa 50, es können natürlich gerne mehr werden“, so Jessica Groß, Mitinitiatorin der Einrichtung in der Gneisenaustraße 2a.
Vielen Beratungsstellen der Stadt eröffnet das Büro den nötigen Freiraum, sich wieder ihren eigentlichen Aufgaben zuzuwenden. Denn nicht nur geduldete Flüchtlinge, auch Asylantragsteller im ersten Jahr der Antragstellung haben durch die Vorgaben des Asylbewerberleistungsgesetzes keine Chance auf Zahnersatz oder planbare Operationen. Besonders problematisch sei die medizinische Versorgung von illegalen Flüchtlingen. „Mittlerweile können wir in Berlin von 100.000 Illegalen ausgehen“, so die Flüchtlingsberaterin Wilson-Gemkow. Selbst Notbehandlungen würden ihnen unter dem Finanzdruck der Krankenhäuser und medizinischen Einrichtungen teilweise verwehrt. „In der vorigen Woche wurde eine Frau mit akuten Schmerzen aus der Zahnklinik der Charité fortgeschickt, weil sie die Kosten für die Behandlung nicht vorab bezahlen konnte“, sagte Jessica Groß.
Für immer mehr Flüchtlinge werden selbst die bereits eingeschränkten Leistungen des Gesundheitssystems unerreichbar, kritisierten die Initiatoren des Büros. Als Vertreter verschiedener antirassistischer Gruppen und im Gesundheitsbereich Tätige wolle man mit dem Büro nicht nur auf das Problem aufmerksam machen, sondern gegen die gesetzliche Ungleichbehandlung, gegen bürokratische Hürden und institutionelle Widerstände protestieren. „Wir wollen bewußt auch illegale Flüchtlinge unterstützen“, so Jessica Groß, „ohne den Staat dabei aus seiner Verantwortung zu entlassen.“ Kathi Seefeld
Das Büro ist im Mehringhof in den Räumen des Gesundheitsladens, Tel. 694 67 46, montags und donnerstags 16.30 bis 18 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen