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Goldrausch im Puschkin-Museum

■ Moskau soll den „Schatz des Priamos“ zurückgeben, fordern die Deutschen. Noch glänzen die Russen mit der Beutekunst

Berlin (taz) – Der Stern zahlte 100.000 Mark, das ZDF – so ist aus Expertenkreisen zu hören – 150.000 Dollar, und weltweit soll die Vermarktung der Bilder des „Schatz des Priamos“ schon zwei Millionen Dollar eingespielt haben. Beutekunst, das ist ein glänzendes Geschäft. Für die Direktorin des Puschkin-Museums in Moskau, Irina Anatonowa (74), hat sich die spektakuläre Präsentation des Schliemann-Goldes ab dem 16. April in ihrem Hause schon vorab gelohnt.

Die Deutschen sehen dies mit gemischten Gefühlen, denn das Gold von Troja ist das Symbol schlechthin für die ab 1945 von der sowjetischen Trophäenkommission aus Deutschland abtransportierten Kunstschätze. „Nach unserer politischen, juristischen und museumsethischen Überzeugung ist der ,Schatz des Priamos‘ Eigentum der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin“, betonte gestern ihr Präsident, Wolfgang Knopp. „Nichts kann dieses Besitzrecht zum Verlöschen bringen.“ Bei der passend zur Moskauer Eröffnung gestern im Museum für Ur-und Frühgeschichte vorgestellten neuen Dauerausstellung „Troja–Schliemann–Altertümer“ verwies Knopp erneut auf die „klare, solide, deutsche Rechtsauffasung“. Laut internationalem Völkerrecht, dem deutsch-russischen Freundschaftsvertrag von 1990 und einem weiteren Vertrag, den der russische Präsident Boris Jelzin bei der Aufnahme seines Landes in den Europarat unterschrieben hat, müssen „unrechtmäßig verbrachte Kulturgüter“ zurückgegeben werden.

Aber von diesen Verträgen möchte Russland seit anderthalb Jahren nichts mehr hören und wissen. Seit dieser Zeit fänden nicht einmal mehr Kooperationen unterhalb der Klärung von Besitzrechten statt, klagte Wolfgang Dube, Direktor der Staatlichen Museen zu Berlin. In Moment zähle nur das Geld. „Nichts tun unsere russischen Kollegen derzeit lieber, als die Segnungen des Kapitalismus anzunehmen.“ Dabei gelte „zu retten, was zu retten ist“. Die Stücke aus der Berliner Sammlung für ostasiatische Kunst, die seit Kriegsende in der Eremitage in Petersburg liegen seien in einem „katastrophalen Zustand“.

Wie sehr die deutsch-russischen Kulturbeziehungen abgekühlt sind, verdeutlichte Wolfgang Menghin, Direktor des Museums für Ur-und Frühgeschichte. Sein Angebot, gemeinsam mit den Moskauer Kollegen die von Schliemann 1873 in Troja ausgebuddelte und von 1945 bis 1993 angeblich verschollene Goldpracht im Puschkin-Museum zu präsentieren, sei brüsk ausgeschlagen worden. Keiner der deutschen Priamos-Experten sei zur Ausstellungseröffnung geladen, war am Rande zu erfahren.

Vor der resoluten Direktorin Irina Anatonowa knickte auch der Belser-Verlag ein. In ihrem prächtig aufgemachten Ausstellungskatalog fehlt jeglicher Hinweis auf den „unbestritten rechtmäßigen Besitzer“. Das Gold von Troja erscheint so wie „herrenloses Gut“, daß durch „schicksalhafte Umstände nach langer Versenkung der Welt wieder zugänglich gemacht wird“, schreibt Menghin in einem Beitrag. Menghins Aufsatz werden die Russen bloß nie lesen können. Er ist nur der deutschen Fassung als Loseblattsammlung beigelegt. Anita Kugler

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