Wer gibt gern seine Selbständigkeit auf

■ betr.: „Berlin und Brandenburg bleiben Singles“, taz vom 6. 5. 96

Demokratie funktioniert prinzipiell dort am besten, wo kurze Entfernungen bestehen, in kleinen politischen Einheiten, sprich Ländern. Ich kann die Brandenburger Mehrheit gut verstehen, wer gibt denn gerne seine Selbständigkeit auf?

Ist das toll, angesichts der Bonner Regierung Autonomie zu opfern – in Bremen, in Kiel? Löst das Probleme an ihren Ursachen, wenn man das Saarland irgendwo eingemeindet? Ich glaube nicht. Sebastian Lauckner, Bremen

Das Abstimmungsergebnis der Volksbefragung in Brandenburg und Berlin war ein gefundenes Fressen für die Deutschlanddividierer in Politik und Journalismus.

Der haarsträubende Unterschied zwischen Friesen und Bayern, Sachsen und Mecklenburgern, Stadt- und Landmenschen weltweit, der interessiert nicht, aber auf den Unterschied zwischen den Menschen aus Hüben und Drüben wird gehornochst (gehornochst von Hornochse = kastrierter Stier) wie einst auf den zwischen weißer und Weiß bei den Waschmitteln.

Dabei kann wohl, auch ohne wissenschaftlich fundierte Umfrage, davon ausgegangen werden, daß auch die Schleswig-Holsteiner einer Fusion mit Hamburg nicht zugestimmt hätten, weil sie sich eben nicht vorschreiben lassen wollen von Großstadtschlaubergern, vor welcher Dörflertür die ihre Ausfallstraßen bauen, ihren Müll ablagern und ihren Kies abgraben. [...] Dieter Haker, Bäk

Nun jammern sie wieder! Aber nicht die Bürger in Brandenburg und Berlin, sondern diejenigen, die gestern, heute und sicher auch noch morgen eher durch Politklüngel, Korruptionsaffären, Selbstbereicherungen und einen hohen Mangel an Verantwortungsbewußtsein als durch vorausschauendes, nachhaltiges Denken und Handeln im Sinne unseres Gemeinwesens auf sich aufmerksam machen. Die Mitbürger in Berlin und Brandenburg haben deutlich ihr Recht auf politische Einmischung wahrgenommen, ob es den beruflich politisch Tätigen nun paßt oder nicht!

Es wird wohl oft von den gewählten, regierenden Volksvertretern vergessen, welche Tätigkeiten sie eigentlich ausführen sollen. Denn was sonst heißt politisch tätig sein, wenn nicht staatsklug, weitschauend und umsichtig und nicht zu vergessen verantwortungsbewußt?

In meiner Studie über das mögliche Zusammengehen der beiden Länder („Klimax Berlin-Brandenburg“, 1993) wurden aus der komplex vernetzten Sichtweise die sich anbahnenden Folgeprobleme und deren Vermeidung bei einer Länderfusion sehr anschaulich herausgearbeitet. Es scheint aber, daß viele Politiker noch nicht reif sind, den eigentlichen Wert derartiger Studien zu erkennen, die ihnen vorausschauend Problemlösungen anbieten, statt sich tagtäglich in politisch profilierungssüchtigen Reparaturlösungen zu verzetteln. Das aber widerspricht eklatant einem bürgerdienlichen Politikverständnis. Also bitte: „Hören gerade Sie auf zu jammern.“ Udo Küppers, Berlin