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Mit Bosnien wird man nicht so schnell fertig

■ Nato-Verteidigungsminister in Brüssel denken über mögliche Verlängerung des Ifor-Truppeneinsatzes in Bosnien nach

Brüssel (AFP/wps/dpa) – Über die Absicherung der Wahlen in Bosnien und eine mögliche Verlängerung der Nato-Präsenz dort über den geplanten Abzugstermin im Dezember hinaus haben gestern die Nato-Verteidigungsminister in Brüssel beraten US-Verteidigungsminister William Perry hatte zuvor bei einem Besuch in Makedonien gesagt, er favorisiere eine volle US-Beteiligung für den Fall, daß die Nato eine Verlängerung ihrer Bosnien-Mission beschließen solle.

Offiziell haben die USA eine Bosnien-Truppenstationierung über Dezember hinaus immer ausgeschlossen. Perry sagte nun, er halte die Bildung einer „Nachfolgetruppe“ für die Ifor für möglich, falls die Nato der Meinung sei, daß ansonsten der Frieden in Bosnien nicht halte. US-Präsident Clinton hatte jedoch am Mittwoch bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit EU-Kommissionspräsident Jacques Santer gesagt, er sei überzeugt, daß die Ifor-Truppe ihre Aufgabe in „ungefähr einem Jahr“ erfüllen könne. In US-Militärkreisen war davon die Rede, daß eine Nachfolgetruppe etwas unter halb so groß wie die 60.000 Mann starke Ifor sein und mit Luftunterstützung aus Italien oder Ungarn heraus operieren könne.

Bei den Nato-Ministern in Brüssel herrschte gestern Konsens, daß eine Entscheidung über eine mögliche Verlängerung des Bosnien- Mandats nicht vor September fallen werde. „Derzeit gibt es keine Übereinstimmung darüber, was nach Ablauf [des Mandats] geschehen soll“, sagte Perrys Stellvertreter Frank Kramer. Die Diskussionen der Minister konzentrierten sich nach seinen Angaben zunächst auf die Zeit bis zu den geplanten Parlamentswahlen in Bosnien-Herzegowina am 14. September. „Wir halten ganz stark an diesem Termin fest und gehen auch davon aus, daß die Bedingungen [für die Wahl] bis dahin zufriedenstellend sind“, sagte Kramer. Weitgehende Einigkeit bestand darin, daß die 60.000 Mann starke Truppe mindestens bis zum Wahltermin in voller Stärke präsent bleiben müsse. „Auch bis zum 20. Dezember muß eine robuste Streitmacht vor Ort bleiben“, sagte der Nato-Botschafter der USA, Robert Hunter.

In Nato-Kreisen hieß es, ungeachtet der Einschätzung internationaler Organisationen, daß die geplanten bosnischen Wahlen keinen demokratischen Regeln entsprechen werden, sollte derzeit nicht öffentlich über eine Verschiebung diskutiert werden. „Wir müssen den Druck auf die Parteien von Dayton unbedingt aufrecht erhalten“, sagte ein Diplomat.

An der Ministertagung nahm erstmals seit 30 Jahren mit Charles Millon ein französischer Verteidigungsminister teil. Millon blieb den Sitzungen des Verteidigungsplanungsausschusses und der Nuklearen Planungsgruppe noch fern.

Gestern nachmittag wollten die Minister über die vergangene Woche in Berlin beschlossene Reform der Nato sprechen. Nach Worten von Bundesverteidigungsminister Volker Rühe wird die Konkretisierung der Beschlüsse von Berlin äußerst schwierig. Bei der Verkleinerung der Zahl der Nato-Hauptquartiere und der Zusammenlegung von Kommandoebenen müßten nicht nur strategische Bedürfnisse, sondern auch nationale Ansprüche abgewogen werden.

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