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Untergetauchte sind freiwillig wieder aufgetaucht

■ Drei Sympathisanten von „radikal“ stellten sich – ein Jahr danach – dem Richter

Bremen (taz) – Die Bremer Haftrichter schienen kein besonderes Interesse an den drei Gesuchten zu haben. Es dauerte eine Viertelstunde, bis Ulli Faltin, Frank Großkinski und Jutta Weißbach, die sich gestern freiwillig stellten, in den Raum 240 des Bremer Amtsgerichts eingelassen wurden. Punkt zehn vor zwölf öffneten sich dann gestern die Türen, die wohl in den Knast führen. Genau ein Jahr waren die drei Linksradikalen, denen die Karlsruher Bundesanwaltschaft vorwirft, Mitglieder der kriminellen Vereinigung radikal zu sein, untergetaucht. Am 13. Juni 1995 hatten schwerbewaffnete Polizeisondereinheiten in acht Bundesländern überfallartig 55 Privatwohnungen, Büros und Läden durchsucht und vier vermeintliche Mitglieder des Zeitungskollektivs radikal verhaftet. Drei weitere Haftbefehle konnten nicht vollstreckt werden.

Daß die drei sich nun stellten, begründet die Bremerin Jutta Weißbach damit, daß „sich die Situation geändert“ habe. Die vier im Juni 1995 verhafteten Männer wurden nach einem knappen halben Jahr Untersuchungshaft im Dezember freigelassen, das Verfahren inzwischen von der Bundesanwaltschaft an die Koblenzer Staatsanwaltschaft abgegeben. Gleichzeitig wurde der Anklagevorwurf geringfügig reduziert: Die Angeschuldigten sollen in der verbotenen „Untergrunddruckschrift“ radikal „terroristische Vereinigungen“ wie die Antiimperialistische Zelle nicht mehr unterstützt, sondern „nur“ noch für diese geworben haben. Die drei Beschuldigten, die auf ihrem Weg zum Bremer Amtsgericht von rund 300 Personen aus der linken Szene begleitet wurden, wollen zudem „unser Verfahren nicht von dem der anderen vier Beschuldigten abgetrennt“ haben. Unmittelbar danach informierten die Bremer Ermittlungsrichter den zuständigen Karlsruher Bundesanwalt Beyer. Die AnwältInnen haben gestern die Aussetzung der Haftbefehle beantragt: Eine ganze Redaktion als kriminelle Vereinigung zu brandmarken, sei „ein massiver Angriff auf die Pressefreiheit“. Zudem beruhten die Ermittlungserkenntnisse auf einem „verfassungswidrigen Lauschangriff“ und dürften deshalb „nicht verwendet“ werden. Marco Carini

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