■ Press-Schlag: So steht der Fan also in der Fankurve
Wenn Wörter reden könnten, würden sie selbstverliebt davon schwätzen, wie sie Spielball waren oder Wachs in den Händen von Demagogen oder als Nagel herhalten mußten, den viele auf den Kopf zu treffen versuchten (Aua!). Und niemand hörte ihnen zu. Insbesondere keinesfalls heute beim „Mega- Start“ (Sport-Bild) der Fußball-Bundesliga-Saison, die uns erneut zwingen wird, Sätze zu ertragen wie „der Star ist die Mannschaft“.
Falsch: Der Star ist mittlerweile der Fan, solange er sein Geld in die nach ihm benannten Shops trägt und in die Stadien, wo er zusätzlich für „unvergleiche Atmosphäre“ zu sorgen hat.
Keine Angst, dies ist keine kulturpessimistische Klage über die ach so schreckliche Kommerzialisierung, sondern es geht um das Wort Fan, das eine Abkürzung des englischen fanatic ist (vgl. Patridge oder Webster).
Fanatisch, schrieb Victor Klemperer in seinem Buch über die LTI, die Sprache des „Dritten Reichs“, habe auch im Deutschen stets „eine bedrohliche und abstoßende Eigenschaft“ bezeichnet, etwas, das „zwischen Krankheit und Verbrechen mitteninne stand“. Erst der Jargon des Nationalsozialimus habe dafür gesorgt, daß „selbst der leiseste pejorative Nebensinn“ getilgt wurde. Vom „fanatischen Bekenntnis“ bis zu den „fanatisch kämpfenden Truppen“ – überall war das Wort zu finden. „Niemals vor dem Dritten Reich wäre es jemandem eingefallen, fanatisch als ein positives Wertwort zu gebrauchen.“
Tja, und da steht nun der Fußballfan in der Fankurve, den Fanschal ums Handgelenk geknotet, schwenkt seine Fahne (!), völlig selbstzweifellos. So schlimm ist das auch nicht, wenn man Partridges „Dictionary of Slang and Unconventional English“ glauben darf. Demzufolge ist die Abkürzung fan als Bezeichnung für einen (Sport-)Enthusiasten Ende des 19.Jahrhunderts in den USA entstanden und etwa 1914 anglisiert worden.
Wir sind jetzt vielleicht nicht schlauer als vorher, können aber mit noch größerer Schadenfreude beobachten, wenn TV-Reporter sich mühen, zwischen sogenannten Fans, sogenannten kritischen Fans und sogenannten sogenannten Fans zu unterscheiden. Ente Lippens wiederum sagt, er kriege das Kotzen, wenn die Profis zu den Fans laufen, um deren Hände abzuklatschen.
Andererseits und nach wie vor nicht ganz falsch ist die Annahme, daß die meisten Menschen, die von sich sagen, sie seien Fan von ..., mindestens in dieser Rolle dazu neigen, ihr Gehirn großflächig auszuschalten. Es sei denn, sie heißen Nick Hornby und schreiben ein so geistreiches Buch wie „Fever Pitch“. Aber das ist wieder eine andere, mittlerweile bekannte Geschichte. Dietrich zur Nedden
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