: Durchwachsen wie das Wetter
■ Bundesbank dämpft Hoffnung auf schnellen Aufschwung, mehr Pleiten denn je. Bundesbankdirektor Meister erklärt, der Euro bringt wenig für den Arbeitsmarkt
Frankfurt/Main (rtr/dpa) – Die deutsche Wirtschaft ist nach dem frostbedingt schwachen 96er Start wieder „auf einen Wachstumskurs zurückgekehrt“, schreiben die Volkswirte der Bundesbank in ihrem heute erschienenen Septemberbericht. „Ob damit die konjunkturelle Schwäche, in die sie in der zweiten Hälfte vergangenen Jahres geraten war, bereits endgültig überwunden ist, bleibt abzuwarten.“ Das gesamtdeutsche Bruttoinlandsprodukt legte vom 1. zum 2. Vierteljahr 1996 real um rund 1,5 Prozent zu, nachdem es zuvor im Quartalsvergleich um 0,5 Prozent geschrumpft war. Ungefähr ein Drittel des BIP-Wachstums sei laut Bundesbank aber darauf zurückzuführen, „daß sich nach dem Ende des langanhaltenden kalten Winters die Bautätigkeit in den Frühjahrsmonaten wieder normalisierte“.
Stärkste Säule der Konjunktur bleibt aus Sicht der Bundesbank vorerst der Export, der – neben den aufstrebenden Märkten in Fernost und Osteuropa – auch von einem konjunkturellen Aufwärtstrend in den anderen Industrieländern beflügelt wird. Die Zentralbanker erwarten für „die nächsten Monate einen weiteren Fortgang der Aufwärtsbewegung bei den Ausfuhren“. Die Bundesbank wertet dies als Beleg für die merklich verbesserte internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Produkte.
Wichtiger Faktor für die Exporterfolge sind aber auch die inzwischen wieder günstigen Wechselkurse. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Inflationsraten habe sich die Aufwertung der deutschen Mark mittlerweile völlig zurückgebildet. „Gegenüber den EU-Währungen, denen eine zentrale Bedeutung für die deutsche Exportwirtschaft zukommt, ergibt sich ein realer Außenwert der Mark, der im Vergleich zu Anfang 1995 sogar noch deutlich niedriger liegt und in etwa dem Stand von Mitte 1994 entspricht“, so der Bericht. Die Mark ist billiger geworden und damit auch die deutschen Exporte.
Die Zahl der Firmenzusammenbrüche hat in den ersten sechs Monaten in Deutschland einen neuen Rekord erreicht: Laut dem Statistischen Bundesamt wurden in dieser Zeit fast 12.500 Unternehmen zahlungsunfähig – 17 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. In Westeuropa ist eine der Ursachen laut Wirtschaftsauskunftei Dun & Bradsheet die Ausgabenbremse der öffentlichen Hand. Demnach würden die Firmenpleiten 1996 im Schnitt von 15 Ländern um fünf Prozent steigen.
Nach Ansicht der Bundesbank wird Deutschland 1996 vielleicht zwei Kriterien der Europäischen Währungsunion verfehlen. Einerseits ist die Neuverschuldung zu hoch, andererseits überschreitet auch der gesamte Schuldenstand die im Maastricht-Vertrag vorgeschriebene Obergrenze. Allzuviel Sorgen sollte man sich darüber allerdings nicht machen, ließ Bundesbankdirektor Edgar Meister durchblicken. Die EWU könne keinen „wesentlichen Beitrag zur Lösung der Strukturprobleme auf den europäischen Arbeitsmärkten leisten“.
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