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Arbeitslose sanieren Waigels Kasse

■ Arbeitsminister Norbert Blüm wehrt sich gegen Finanzminister Waigels Pläne, bis zu zehn Milliarden Mark bei der Bundesanstalt für Arbeit einzusparen. Kahlschlag bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen befürchtet

Berlin (taz) – Erwerbslose, die auf eine ABM-Stelle hoffen, werden es künftig noch schwerer haben. Den Arbeitsämtern fehlen im kommenden Jahr bis zu zehn Milliarden Mark, die Finanzminister Waigel nicht mehr ausgleichen will. Über die künftige Finanzierung der Arbeitsförderung ist jetzt ein Streit zwischen Arbeitsminister Norbert Blüm und Finanzminister Theo Waigel (CSU) entbrannt.

Waigel hatte in der Haushaltsdebatte im Bundestag erklärt, im kommenden Jahr keinen Bundeszuschuß mehr an die Bundesanstalt für Arbeit (BA) in Nürnberg leisten zu wollen. Waigel und CDU- Haushaltspolitiker hatten angesichts der fehlenden Milliarden schon angekündigt, notfalls weitere Sparmaßnahmen zu verlangen.

Die vorgesehene Nullrunde bei Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe und die geplanten Kürzungen bei den AB- Maßnahmen im Osten reichen für die Einsparungen nicht aus. Nach Blüms Rechnung bleibt für 1997 noch eine Finanzierungslücke von fünf bis sieben Milliarden Mark. Blüm hat sich laut Handelsblatt geweigert, Waigel weitere Einsparungsvorschläge zu nennen. Dazu falle ihm „nichts mehr ein“, so der Arbeitsminister in einer Sitzung des CDU-Bundesvorstands. Falls das Arbeitslosengeld weiter gesenkt werde, rutschten noch mehr Versicherte unter die Sozialhilfegrenze.

Auch andere Vertreter der CDU und CSU protestieren gegen schärfere Kürzungen bei den Arbeitslosen. Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Arbeitnehmergruppe, Peter Keller, forderte gestern, statt dessen „versicherungsfremde Leistungen“ wie Fortbildung und Umschulung aus dem Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit auszulagern und künftig aus Steuermitteln zu bezahlen.

Der Vorsitzende des CDU-Arbeitnehmerflügels (CDA), Rainer Eppelmann, sagte, Sozialpolitik könne nicht länger als „Melkkuh zur Deckung fehlender Haushaltsmilliarden“ mißbraucht werden. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer warnte vor einer „arbeitsmarktpolitischen Katastrophe“, zu der die angedachten Kürzungen führen könnten.

In den Spargesetzen war bereits zuvor geplant, Arbeitslosengeld und -hilfe im kommenden Jahr einzufrieren, also nicht mehr entsprechend den Nettolöhnen steigen zu lassen. Die Zahl der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Osten soll bis zum Jahre 2.000 um mindestens 130.000 auf Westniveau – das sind etwa 70.000 – verringert werden. Das entsprechende Arbeitsförderungsgesetz ist allerdings noch nicht verabschiedet. ABM-Stellen sowie Weiterbildung sind jedoch sogenannte „Kann“-Leistungen, deshalb könnte dort auch schon 1997 ohne eine Gesetzesänderung heftig gespart werden, sofern Blüm dies veranlaßt.

Betroffen wären die Schwächsten, nämlich arbeitslose Frauen im Osten, die 70 Prozent der Ost-ABMler ausmachen. Ohne ABM rutschen sie in die Arbeitslosenhilfe, die aber faktisch wegfällt, wenn der Partner verdient. Für ABM und Weiterbildung in Ost und West geben die Arbeitsämter im Jahr rund 27 Milliarden Mark aus.

Der Vorsitzende der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, Hans-Jürgen Doss, sprach sich für weitere Kürzungen bei den Arbeitslosen aus. Der sozialpolitische Hardliner der CDU-Fraktion, Julius Louven, erklärte, mit ihm könne man über weitere Einsparungen wie Karenztage beim Arbeitslosengeld reden. Barbara Dribbusch

Zum Sparpaket siehe Bericht Seite 2

Tagesthema Seite 3, Debatte Seite 10

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