: Chemie verdient nur international gut
Der chemischen Industrie droht die Spaltung. Kleine, auf den deutschen Markt konzentrierte Firmen tun sich schwer, die großen drei machen im Ausland Gewinne ■ Aus Frankfurt Klaus-Peter Klingelschmitt
Die großen drei der deutschen Chemieindustrie Hoechst, BASF und Bayer haben in den ersten neun Monaten 1996 vom Trend zur Globalisierung kräftig profitiert. Ihre Gewinnmargen sind nach einer Verdoppelung 1995 weiter gestiegen, während die kleineren Chemiebetriebe 1996 mit fallenden Umsätzen und Erlösen zu kämpfen haben. Eine „harte Bewährungsprobe“ komme auf den Verband der Chemischen Industrie (VCI) zu, sagte Verbandspräsident Jürgen Strube, Vorstandschef der BASF, gestern auf einer Pressekonferenz zur Lage der Chemieindustrie in Frankfurt.
Der Unmut ist groß bei den Kleinen – nicht zuletzt deshalb, weil die ihre Grundstoffe und oft auch ihre Rohstoffe von den im internationalen Maßstab agierenden Großen beziehen müssen und deren Preisdiktat unterliegen. Immer mehr Firmen drängen deswegen zu Investitionen im Ausland.
Eine Zweiklassengesellschaft beginnt sich in der Branche zu etablieren. Und die von Strube vorgestellten Konjunkturdaten für die ersten drei Quartale des laufenden Geschäftsjahres wären ohne die Ergebnisse der drei Großen alarmierend. Insgesamt sei die Produktion im Vergleich mit dem Vorjahr um ein Prozent gesunken. Und die Erzeugerpreise gingen gleich um drei Prozent zurück.
Auch der Umsatz im Gesamtjahr 1996 wird nach Einschätzung des VCI um etwa ein Prozent niedriger als 1995 liegen. Die Wachstumsimpulse, sagte Strube, kämen aus dem Ausland: „Die gespaltene In- und Auslandskonjunktur spiegelt sich auch in der Ertragssituation unserer Unternehmen wider. International tätige Großunternehmen erzielen ihre Umsätze und Gewinne zunehmend im Auslandsgeschäft. Dagegen klagen kleinere und mittlere Firmen, die im wesentlichen auf den deutschen Markt angewiesen sind, über eine unbefriedigende Situation.“ Die Beschäftigung ging von 536.000 auf 520.000 Mitarbeiter zurück.
Der Konzentration auf das Kerngeschäft bei den Chemiegiganten biete den kleineren Mitgliedsfirmen des Verbandes auch Chancen, sagte Strube weiter. Die müßten sich spezialisieren. Der BASF-Chef lobte „die Gründung kleiner, innovativer Biotechnologieunternehmen, oftmals übrigens durch Hochschulwissenschaftler, die sich selbständig machen“. Die Regierung subventioniert diese Technologie inzwischen mit jährlich 900 Millionen Mark. Aber noch mangele es in Deutschland an „Gründermentalität“. Und deshalb forderte Strube erneut den Abbau von Regulierungen und die Senkung der Lohnnebenkosten. Dazu gehört auch die Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Strube: „Find' ich gut.“
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