: Billige Vorurteile geschürt
■ betr.: „Kanther füttert Beamte durch“, taz vom 5./6.10. 96
[...] Ich bin nicht der Meinung, daß die Sparvorschläge einen sozialen Kahlschlag bedeuten, und ich habe großes Verständnis dafür, wenn man sich Gedanken über die Finanzierbarkeit staatlicher Dienstleistungen macht. Dazu gehört natürlich auch, zu prüfen, ob alle Leistungen des Staates an seine Beamten sinnvoll und gerechtfertigt sind. Gerade dies kann der taz-Bericht aber nicht leisten. Vielmehr schürt er auf billige Art allgemeine Vorurteile gegen Beamte.
Sucht Euch doch bitte mal eine oder mehrere x-beliebige Behörden aus und informiert Euch über die Arbeit und den Verdienst der dort beschäftigten Beamten. Denkt aber auch daran, daß Beamte nicht nur in Ministerien und Hochschulen gutbezahlte Positionen haben, sondern auch bei der Polizei, in Krankenhäusern, Stadtverwaltungen, Sozialämtern, Sozialversicherungen etc. arbeiten und dafür keineswegs überdurchschnittliche Gehälter bekommen. Die Bundesbesoldungsordnung ist in jedem Buchladen erhältlich, und daraus ist dann ersichtlich, daß auch bei Beamten die Gehälter je nach Tätigkeit und Lebensalter sehr stark schwanken. Die überaus reichlichen Zulagen erhält man auch nur bei Ausübung bestimmter Tätigkeiten.
Die Arbeitsbedingungen verschlechtern sich durch Stellenabbau für die Beschäftigten ständig. Ein genaues Lesen des Bundesbeamtengesetzes hätte bei Euren Autoren vielleicht zur Erkenntnis geführt, daß die „Treuepflicht“ und die „Pflicht zur vollen Hingabe“ im Einzelfall sehr wohl zu weitreichenden Konsequenzen für den Betroffenen führen können. Bei einer rechtskräftigen Verurteilung in einem Strafverfahren muß ein Beamter zum Beispiel noch zusätzlich mit einem Disziplinarverfahren rechnen. Eine tarifliche Absicherung gibt es für Beamte ebenfalls nicht. Ihre Arbeitszeiten, Gehälter und so weiter werden durch Gesetze geregelt. Findet Ihr etwas daran auszusetzen, wenn diese Gesetze dann an die Tarifverträge im öffentlichen Dienst angepaßt werden?
Um noch mal auf die angestrebten Einsparungen zurückzukommen: Arbeiter und Angestellte finanzieren ihre Altersversorgung auch nicht allein. Die Hälfte der Beiträge zur Rentenversicherung trägt auch der Arbeitgeber. Wenn man bei Beamten ein ähnliches System einführen würde, wären den eingesparten Beträgen wohl auch zusätzliche Kosten gegenüberzustellen. Außerdem ist das Bruttogehalt von Beamten niedriger als das von vergleichbaren Angestellten im öffentlichen Dienst.
Und zur Umverteilung von Sicherheit (Kommentar auf Seite 1) kann ich nur sagen, daß ich nicht verstehe, was das Problem ist, wenn ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern Verläßlichkeit signalisiert. Wäre doch begrüßenswert, wenn die Arbeitgeber im Metallbereich dies gegenüber ihren Beschäftigten auch so machen würden. Oder etwa nicht?
Außerdem sind doch Werte wie soziale Sicherheit, geregeltes Einkommen und sichere Arbeitsplätze Aspekte, für die die taz in der Privatwirtschaft sicher eintreten würde, die aber bei Beamten als überzogen kritisiert werden.
Es wundert Euch sicher nicht, daß ich auch Beamter bin. Mein Arbeitgeber ist die Bundesanstalt für Arbeit, und ich arbeite als Arbeitsvermittler für gewerbliche Hilfskräfte beim Arbeitsamt München. Mein Gehalt beträgt zirka 3.900 DM brutto, und ich habe auch das Privileg, eine Amtsbezeichnung zu führen und einen angemessenen Dienstposten zu bekommen. Allerdings darf auch jeder Kaufmann oder Handwerker mit einer abgeschlossenen Prüfung eine Berufsbezeichnung führen. Das Recht auf einen angemessenen Arbeitsplatz hat er zwar damit nicht, jedoch haben Millionen von Berufstätigen noch einen, und ich bin darüber nicht neidisch, sondern versuche täglich, möglichst vielen einen solchen zu verschaffen. Peter Hammerer, München
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