Kein Weg zum Schiedsrichter ist dem Chef zu weit

■ VfB-Kapitän Fredi Bobic demonstriert beim gewonnenen Pokalviertelfinale in Freiburg erneut, daß der Grat zwischen Selbstbewußtsein und Übermut schmal ist

Freiburg (taz) – Zwischen Pizza- und Kebab-Bude, wo der Spielerweg von der Kabine zum Mannschaftsbus führt, sorgte die zugige Nachtluft für ein explosives Geruchsgemisch. Stuttgarts Torhüter Franz Wohlfahrt hielt auch ihm gelassen stand, wie er zuvor bei 120minütigen Regenwinden in hitziger Atmosphäre zunächst den Freiburger Angriffswirbeln getrotzt hatte. Und bei der Suche nach der finalen Entscheidung auch Sutters Elfmeter. 1:1 hatte es gestanden, als Gegenüber Schmadtke nach der Verlängerung eines Pokalkampfes mit beachtlichem Unterhaltungswert den Showdown eröffnete. Wohlfahrt flog nach links, der Ball nach rechts – über das Tor.

Sein „wahnsinnig gutes Gefühl vor dem Elfmeterschießen“ hatte den Österreicher nicht getrogen. Und weil „beides gleich schön“ ist, „auf den Elfmeter des Gegners warten und selber anlaufen und schießen“, wechselte er bei Penalty Nummer 3 die Perspektive und setzte die Kugel in Schmadtkes Maschen. In Wohlfahrts Körper verdichtete sich die präfinale Wohlbefindlichkeit zur Gewißheit: „Ich wußte, daß ich den Elfmeter von Sutter halten werde.“ Gewußt, getan – Sieg und DFB-Pokalhalbfinale.

Kein Zweifel, der VfB Stuttgart hat derzeit das, was man einen Lauf nennt. Und nicht nur Wohlfahrts Ausführungen zeigen, daß in guten Zeiten der Grat schmal wird zwischen Selbstbewußtsein und Übermut. Eindrucksvoll hatte das zuvor auf dem Platz auch schon Mannschaftskapitän Fredi Bobic demonstriert. Kein Weg war dem Chef in der Anfangsphase zu weit, um Schiedsrichter Vandel von Angesicht zu Angesicht sein Mißfallen auszudrücken, keine Entscheidung zu banal, um nicht wild gestikulierend Unmut zum Ausdruck zu bringen. Was nach der Partie in verschwörungstheoretischen Ergüssen seine adäquate Fortsetzung fand: „Die Schiedsrichter haben es wieder nicht geschafft, uns herauszuboxen – und das ist gut so.“

Bobics Führung kurz nach der Pause war gekommen, als der Sport-Club längst selbst ins Spiel gefunden hatte. Was danach folgte, wertete VfB-Trainer Joachim Löw als „sehr, sehr starkes Spiel der Freiburger“. Beeindruckt hat ihn am Mittwoch vor allem der Versuch, den VfB mit dessen Waffen zu schlagen: „Der Sport-Club hat eine sehr gute Spielkultur, die lassen den Ball laufen.“

Alain Sutter, vor dem versemmelten Elfer einer der Stärksten, sah den Verlauf der verlorenen Partie denn auch als Option auf die Zukunft im Alltag der Liga: „Wenn wir so spielen, brauchen wir uns vor niemandem zu verstecken.“ Kollege Decheiver stellte immerhin unter Beweis, daß der Freiburger Spielwitz auch beim analytischen Nachgeplänkel wieder auf dem Vormarsch ist. „War es denn richtig, Schmadtke ausgerechnet den ersten Elfmeter schießen zu lassen?“ wollte ein noch immer aufgewühlter Reporter wissen. Um prompt in Decheivers philosophischen Konter zu laufen: „Jetzt ist alles nachher.“ Uli Fuchs

SC Freiburg: Schmadtke - Heidenreich - Rath, Spanring - Korell (89. Marasek), Frey, Spies, Sutter, Freund (63. Sternkopf) - Wassmer (66. Buric), Decheiver

VfB Stuttgart: Wohlfahrt - Schneider, Verlaat, Berthold - Hagner, Soldo, Poschner, Fournier (46. Grimm) - Balakow (91. Buck) - Elber (98. Foda), Bobic - Zuschauer: 22.500

Tore: 0:1 Bobic (47.), 1:1 Spanring (63.)