Nazigold und andere Einnahmen

■ Die Schweiz war Drehscheibe für Gold und Devisen – daß vieles davon geraubtes Vermögen war, war kein Geheimnis

Vom „größten Bankraub der Geschichte“ sprachen in den letzten Wochen der New Yorker Anwalt Edward Fagan und Avraham Hirschsohn, Vorsitzender einer Sonderkommission des israelischen Parlaments. Schweizer Banken hätten „Juden Milliarden von Dollar“ gestohlen. Anfang Oktober 1996 reichten Shoa-Überlebende in New York im Namen der Holocaust-Opfer eine Klage gegen die Schweizer Großbanken in Höhe von zwanzig Milliarden Dollar ein.

Wie groß sind die Beträge jüdischer Opfer, die weiterhin auf Schweizer Bankkonten liegen, tatsächlich? Eine im Februar 1996 publizierte neue Umfrage unter den Schweizer Banken ergab einen Gesamtbetrag an „nachrichtenlosen Vermögen“ von 38,7 Millionen Franken. Bei einer früheren Erhebung war man 1974 bloß auf 9,5 Millionen Franken gestoßen. Allerdings dürfte nur ein kleinerer Teil dieser Guthaben jüdischen Opfern gehört haben.

Moralisch bedenklich war auch der Handel der Schweizer Nationalbank mit Nazi-Raubgold. Nach einem von US-Senator D'Amato am Sonntag präsentierten Geheimdienstdokument wurden 1943 und 1944 im Auftrag der Nationalbank 280 Lastwagen mit deutschem Gold nach Portugal und Spanien transportiert. Die Zahl der Transporte dürfte stark übertrieben sein, es trifft aber zu, daß die neutrale Schweiz während des Krieges eine wichtige Gold- und Devisendrehscheibe war. Die Nationalbank kaufte für insgesamt 4,7 Milliarden von den USA und 1,2 Milliarden vom Dritten Reich; mehr als die Hälfte verkaufte sie noch während des Krieges gegen Devisen weiter. Für diese Transaktionen kassierte sie Gebühren von bis zu 0,9 Promille, allein aus dem Handel mit Nazi-Deutschland erzielte sie Erträge von rund 20 Millionen Franken. Schätzungsweise drei Viertel des von den Deutschen gelieferten Goldes war von den Nazis geraubt worden, der größte Teil stammte aus den Goldreserven eroberter oder annektierter Staaten, möglicherweise war darunter auch Totengold aus den Vernichtungslagern. Faktisch betrieb die Nationalbank Goldwäsche, indem die Reichsbank ihr Gold zunächst gegen Schweizer Franken eintauschte, um damit in Drittländern strategisch wichtige Güter einkaufen zu können; diese Drittländer kauften danach mit den Franken bei der Nationalbank wieder Gold. Insgesamt lieferte die Schweizer Zentralbank Gold für 507 Millionen Franken an Portugal und für 185 Millionen an Spanien.

Die Schweizer Währung beruhte damals auf dem Goldstandard; die Nationalbank war grundsätzlich verpflichtet, anderen Zentralbanken Gold abzukaufen. Ab 1943 mußte sie aber davon ausgehen, daß es sich bei den deutschen Lieferungen um umgeschmolzenes und mit gefälschten Stempeln versehenes Raubgold handelt, und sie hätte sie nach der Kriegswende ohne große Risiken ablehnen können. Die Schweiz mußte sich 1946 im Washingtoner Abkommen verpflichten, 250 Millionen Franken an die Alliierten zu zahlen, formell als freiwilliger Beitrag zum Wiederaufbau Europas bezeichnet, faktisch aber eine Entschädigung für das Nazi-Raubgold. Kaum untersucht ist bisher die Rolle der privaten Schweizer Banken, die teilweise ebenfalls Goldhandel betrieben. Oskar Scheiben, Zürich