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Ringen mit dem Taschenrechner

■ Ein Bauer in der Europäischen Union sät und erntet zwar noch, kämpft allerdings mehr mit zahlreichen Formularen

Berlin (taz) – „Im Märzen der Bauer die Rößlein einspannt“, hieß es früher. Mit den ersten warmen Winden im Jahr konnte der Boden für die Aussaat des Sommergetreides bearbeitet werden. Heute beginnt die Feldarbeit eines Bauern schon früher: Bis zum 15. Februar muß er die Dieselbeihilfe für das Vorjahr beantragen. Nur dann bekommt er die Mineralölsteuer für den Treibstoff seiner Schlepper retour. Im Jahr 1994 waren das 41 Pfennig pro Liter – für einen großen Traktor sind das schnell 1.000 Mark und damit der Ertrag eines ganzen Hektars (hundert mal hundert Meter) Acker.

Nach der geschwinden Aussaat von Raps, Rüben oder Mais schreitet der Agrarökonom dann schon mit Taschenrechner und Papier zum landwirtschaftlichen Hauptereignis des Jahres: dem Mehrfachantrag. Bis Mitte Mai muß er die Tabelle mit all seinen Grundstücken zur Hand nehmen und bei den Landwirtschaftsämtern für jedes seiner Flurstücke Flächenbeihilfe beantragen. Das sind einige hundert Mark pro Hektar Ausgleichszahlung für all die Pflanzen, die nicht als rentable Sonderkulturen wie Zuckerrüben, Tabak oder Hopfen gelten. Die Antragsregeln füllen vier eng bedruckte Seiten.

Bauen die Bauersleut' nachwachsende Rohstoffe an wie zum Beispiel Raps für Biodiesel, sind weitere Formulare zu durchforsten. Viele Regionen gelten darüber hinaus als landwirtschaftlich benachteiligte Gebiete – noch ein Ausgleich. Als letzten Topf gilt es eventuell ein Honorar für umweltschonende Landbewirtschaftungsmethoden anzuzapfen. Hier werden 100 Mark pro Hektar fällig, wenn der Bauer zum Beispiel weniger als 2,5 Rinder pro Hektar Feldfläche im Stall stehen hat oder fünf Jahre keine Wiese zu Acker umbricht.

All diese Förderungen werden mit der Gießkanne über die Flächen verteilt. Sie helfen nur den Eigentümern der Felder, nicht denen, die darauf arbeiten: Wer in der konventionellen Landwirtschaft heute seinen Lebensunterhalt verdienen will, muß seine Produktion hochschrauben. Damit muß er Land pachten. Der Anteil der gepachteten Flächen an Äckern und Wiesen liegt in Deutschland inzwischen bei gut 60 Prozent. Verpächter und Pächter wissen, wieviel an Subventionen zu erwarten ist. Die Gelder aus Brüssel treiben also die Pachtpreise hoch und nicht unbedingt das Einkommen der Landwirte.

Nach der sommerlichen Ernte gilt es wieder, den Flurplan zur Hand zu nehmen, denn auch die einzelnen Bundesländer haben sich noch ein paar Spezialitäten einfallen lassen. In Bayern zum Beispiel das Kulap, das Kulturlandschaftsprogramm. Hier sind die Formulare zwischen August und Ende November auszufüllen. Auch hier wird Geld für nicht ganz so intensives Wirtschaften verteilt. Wer keine Pflanzengifte spritzt und ohne Mineraldünger arbeitet, kriegt 250 Mark je Hektar. Auch für bestimmte Fruchtfolgen oder extensive Weidenutzung locken einige Mark.

Am schonendsten für die Umwelt und die Kassen der Landwirtschaftsministerien sind Flächen, die gar nicht beackert werden. Für diese Brachen gibt es dann eine Stillegungsprämie. Damit verdienen vor allem große Güter in Ostdeutschland gutes Geld.

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