Demo gegen braune Gespenster

Hunderte Demonstranten protestieren in Köpenick gegen unsichtbaren NPD-Parteitag. Polizei rückt mit ihrem Wissen über Tagungsort erst nach störungsfreiem Beginn des rechtsextremen Treffens raus

von Felix Lee

Gegen 14 Uhr schien das Geheimnis gelüftet. Antifas hätten NPD-Größen wie den Bundesvorsitzenden Udo Voigt und den Landeschef Eckhard Bräuniger vor einem Hotel in der Grünauer Straße in der Näher der Altstadt Köpenick gesichtet. Der Veranstaltungsort des NPD-Landesparteitags sei damit ausfindig gemacht, schrieb ein Treptower Demonstrant im linken Onlineportal Indymedia. Doch keine fünf Minuten später erfolgte das Dementi. „Es gibt noch immer keinen Anhaltspunkt“, sagte ein Antifa-Aktivist vor Ort in Köpenick. „Vielleicht wissen wir in einer halben Stunde mehr.“

So ging es gestern den ganzen Tag. Um 11 Uhr hatten sich auf dem Mandrellaplatz in unmittelbarer Nähe der NPD-Bundeszentrale in Köpenick die ersten Demonstranten versammelt. An der von den im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien SPD, Linkspartei.PDS, CDU, Grüne und FDP sowie der Gewerkschaft Ver.di initiierten Kundgebung nahmen nach Veranstalterangaben rund 300 Menschen teil. Doch wen man auch fragte: Den Tagungsort der NPD kannte keiner. Selbst ein Polizist vor Ort versicherte, dass er „keinen blassen Schimmer“ habe.

War es Lüge? Oder hat die Einsatzleitung bloß vergessen, ihren Beamten einzuweihen? Die rund 100 Delegierten des NPD-Parteitags konnten gegen 16 Uhr ganz unbekümmert ein Lokal in der Mentelinstraße im Köpenicker Ortsteil Oberschöneweide betreten – nur wenige Kilometer von der Bundeszentrale entfernt. Und die Polizei wusste bestens Bescheid.

„Uns lagen seit Freitag Hinweise auf den Ort der Veranstaltung vor“, sagte Polizeipräsident Dieter Glietsch in einer eilig verfassten Pressemitteilung, die er wenige Minuten vor Beginn des Parteitag verschicken ließ. „Wir haben den Medien seit Freitag gesagt, dass wir heute feststellen werden, wie zuverlässig unsere Erkenntnisse sind, und dass wir bis dahin nicht darüber sprechen.“ Inzwischen sei klar, dass diese Hinweise zutreffend waren. Zugleich bat er um Verständnis dafür, dass seine Behörde auch künftig nicht alles, was sie in Erfahrung bringe, sofort an die Presse weitergeben könne. „Dies würde unter anderem dazu führen, dass wir bald nichts mehr erfahren“, sagte Glietsch.

Den Zorn dürfte heute Innensenator Ehrhart Körting (SPD) ernten. Er hatte am Donnerstag im Abgeordnetenhaus versichert, dass die ihm unterstellten Sicherheitsbehörden nicht wüssten, wo die NPD sich versammeln wolle. Die Ahnungslosigkeit seiner Mitarbeiter begründete Körting damit, dass der Verfassungsschutz keinen Spitzel im Landesvorstand der Rechtsextremisten habe. PDS-Landeschef Klaus Lederer, der gestern ebenfalls an der Gegenkundgebung teilnahm, sagte, dass er an Körtings Worten nicht zweifle. Wenn der Innensenator aber gelogen habe, werde er ein „großes Problem bekommen“.

Initiativen gegen rechts, die Bezirksämter und Politiker der Grünen, SPD und Linkspartei hatten tagelang versucht, den Tagungsort ausfindig zu machen, um der NPD ihren Protest zu zeigen. Weil die Information ihnen verwehrt blieb, versammelten sich die NPD-Gegner gestern vor dem abgeriegelten Gebäude der NPD-Bundeszentrale. Als Mutmacher gesellte sich unter anderem Parlamentspräsident Walter Momper (SPD) zu den rund 200 Demonstranten und bedankte sich für die Teilnahme. Er wisse, wie schwer es gewesen sei, nicht zu Hause zu bleiben. Ihm sei es an diesem verregneten Morgen ähnlich ergangen. Und überhaupt: Ein Verbot der NPD sei ihm lieber. Doch ohne bürgerschaftliches Engagement gehe es auch nicht. Einigen Zivilengagierten dürfte die Lust seit gestern vergangen sein. Der Polizei sei Dank.

inland SEITE 5, meinung SEITE 11