: Afrikas geopolitische Landkarte verändert sich
■ In der Nordhälfte Afrikas schmieden sich Staaten, die zu den USA Distanz halten, zu einem autoritären Machtblock zusammen – geführt von Frankreich und Nigeria
Je weiter die USA und Südafrika sich den Osten und Süden Afrikas ökonomisch aufteilen, desto deutlicher entsteht im Norden und Westens des Kontinents eine Interessengemeinschaft jener Staaten, die aus verschiedensten Gründen mit den USA nichts zu tun haben wollen. Und weil Frankreich sich als Opfer einer US-Expansion in Afrika begreift, ist es nur zu willig, sich dem anzuschließen, um dabei eventuell die Führung zu übernehmen.
Zwar spricht kein Nigerianer Französisch, aber vor wenigen Monaten machte Nigerias Regierung Französisch zur zweiten Amtssprache. Das Auslandsbüro der staatlichen nigerianischen Ölgesellschaft NNPC, wichtigstes Unternehmen des Landes, wurde Ende März aus London nach Paris verlegt.
Nachdem Nigeria bereits in den anglophonen Ländern Ghana, Gambia, Liberia und Sierra Leone eine gewichtige politische und militärische Rolle spielt, vertiefen sich auch die Kontakte zwischen Nigeria und den frankophonen Nachbarn. Die von Nigeria beherrschte westafrikanische Friedenstruppe in Liberia, einst fast ausschließlich anglophon, zählt inzwischen immer mehr frankophone Teilnehmer – zuletzt kamen Burkina Faso, Niger und Benin dazu.
Nigeria will Westafrika „Stabilität“ bringen
Ende März lud Nigerias Regierung zu einem Gipfeltreffen der westafrikanischen Sicherheitsminister ein, um die Polizeizusammenarbeit zu stärken. Die bestehenden Abkommen mit Togo, Benin und Ghana sollen „verbessert“ werden, und Nigeria will mit weiteren Ländern „Frieden, Stabilität und Sicherheit fördern“, wie Sicherheitsminister Oladipo Diya sagte. Gedacht ist an gemeinsame Militärmanöver und Mechanismen zur Auslieferung von „Kriminellen“. Ein zweites Treffen ist für September geplant. Nigerianische Oppositionelle fürchten nun um ihre Sicherheit. Nach Benin waren letztes Jahr über 1.000 Ogoni geflohen, und Senegal war im vergangenen Herbst Gastgeber für die Gründung des nigerianischen Oppositionsdachverbandes „Vereinigte Demokratische Front“ gewesen.
Zugleich arbeitet Nigeria vorzüglich mit anderen US-Feinden zusammen. Iran und Nord-Korea haben in letzter Zeit erfolgreiche Staatsbesuche in Nigeria absolviert, und mit prächtigen traditionellen Kavallerieparaden empfingen die nigerianischen Militärbehörden vor einer Woche in der islamischen nordnigerianischen Metropole Kano Muammar al-Gaddafi. Der libysche Staatschef kam aus Nigerias nördlichem Nachbarstaat Niger zusammen mit dem dortigen Präsidenten Ibrahim Bare Mainassara; Bare hatte zuvor Libyen besucht. In Nigers Hauptstadt Niamey hatte Gaddafi, eigentlich ein weltlicher Politiker, vor 20.000 Muslimen gepredigt. In Kano beschwor Gaddafi die Stärke des Islam und kündigte die Gründung eines „Islamischen Institutes“ an. Mit seinem Flug brach der libysche Staatschef nebenbei ein UN-Luftembargo. Die USA erwägen nun Sanktionen gegen Nigeria und Niger und haben den UN-Sicherheitsrat eingeschaltet.
Nach Gaddafis Abreise empfing Nigeria am Montag Chinas Premierminister Li Peng. Der unterzeichnete mit Nigerias Junta ein Geheimabkommen über eine Kooperation im Ölsektor. Ferner modernisiert China den Hafen des südostnigerianischen Calabar und das nigerianische Eisenbahnnetz. China habe dafür den Zuschlag erhalten, weil es, so die staatliche Bahngesellschaft NRC, ein „befreundetes Land“ sei.
Paris und Peking – eine „Sonderbeziehung“?
Nicht zufällig wendet sich auch Frankreich und das frankophone Westafrika China zu. Paris verhinderte im April eine Verurteilung Chinas vor der UN-Menschenrechtskommission, und Präsident Jacques Chirac traf gestern zu einem Staatsbesuch in Peking ein, so daß Beobachter bereits von einer französisch-chinesischen „Sonderbeziehung“ sprechen. Anfang der Woche hatte Chinas Premier Li Peng nach Nigeria Kamerun besucht; dort vereinbarte er chinesische Investitionen von 30 Millionen Dollar in eine Bauxitmine.
Der Präsident der Elfenbeinküste, Henri Konan Bedie, dessen Land sich als Führungsmacht des frankophonen Westafrika versteht, verbrachte die gesamte vorige Woche als Staatsgast in China. Im Süden Chinas wird nun das Joint-venture „Qingke“, in dem Kapital aus der Elfenbeinküste, aus Frankreich und China steckt, eine Schokoladenfabrik bauen, die mit Kakao aus der Elfenbeinküste beliefert wird. In einem weiteren Joint-venture der drei Länder wird in der Elfenbeinküste eine Kakaoveredelungsfabrik entstehen.
So entsteht in Westafrika ein Machtblock repressiv geführter Staaten, der für Paris einen gewissen Ersatz für den in Zaire verlorenen Ruhm und Einfluß bieten könnte: Frankreich liefert das Prestige, Nigeria die „Sicherheit“ und China das Kapital. Wenn so die neue französische Afrikapolitik aussieht, werden sich Oppositionsbewegungen von Nigeria bis Sudan an die USA als Retter der Demokratie wenden. Dominic Johnson
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