: Ist Mister 50-Zylinder noch zu stoppen?
■ betr.: Berichterstattung zum 1. Mai
„Der Zweck heiligt die Mittel“ – das ist des Pudels Kern, jedes totalitären Systems, jedes Kriegsrechts, jeder Notstandsgesetze – jeden Extremismus. Na, seid ihr alle da, ihr Bürgerrechtler aus DDR- Zeiten und ihr Sozis, die ihr gegen die Notstandsgesetze mal auf die Straße gegangen seid? Das ist auch Schönbohms Kern – der jetzt offen da liegt, nach dem die 50 vermummten Zylinder in der Polizeimaschinerie des 1. Mai stecken geblieben sind.
Im Krieg heiligt der Zweck alle Mittel. Und Kriege führen – wenn sie zum Glück auch nur in den Sandkästen und Übungsplätzen stattgefunden haben – war Schönbohms Ausbildung und Beruf, bis er hier als Innensenator eingesetzt wurde.
Wahrscheinlich hat Schönbohm als erstes den Schreibtisch aus seinem Büro entfernen lassen. Auf so einem Tisch hätte ausnahmsweise auch einmal eine Studie über den Zusammenhang zwischen Jugendgewalt und der Lebenssituation dieser Jugendlichen landen können – oder sonst etwas von diesem Niveau. Statt dessen hat er sich einen Sandkasten mit Kreuzberg und Friedrichshain aufbauen lassen, um die „Gefechte“ um besetzte Häuser und am 1. Mai durchspielen zu können.
Aber im Ernst. Unter Schönbohm wird aus der Tendenz innerhalb der Polizei – eigentlich müßte die Ausländerbehörde und der Verfassungsschutz mitgezählt werden – jeden Ausländer oder Ausländerin, jeden Junkie, jeden linken Demonstranten usw. als Gegner zu behandeln, ein Prinzip. Die dem General unterstellten Behörden und Beamten haben den Auftrag, die Stadt von den unerwünschten Personen zu säubern, und dazu sind alle Mittel erlaubt. Immer öfter werden die substantiellen Rechte der betroffenen Personen gebrochen, werden Obdachlose im Wald ausgesetzt, Kinder entgegen der Flüchtlingskonvention abgeschoben usw. Besonders die Immigranten und Flüchtlinge sind davon betroffen, die Gesetzesverstöße der Ausländerbehörden bei Abschiebungen, die rassistischen Übergriffe der Polizeibeamten, sind heute Alltag.
Da wären eigentlich die Verfassungsschützer, der Datenschutzbeauftragte, die Ausländerbeauftragte und die Abgeordneten im Innenausschuß verpflichtet zum Handeln.
Das Problem ist: In diesem Fall geht der Extremismus von der Mehrheit aus. Letztendlich denkt jeder so: „Der Zweck heiligt die Mittel: Wenn dasselbe Ziel, wie ich es habe, verfolgt wird, dann schaue ich auch mal weg und toleriere die Mittel – egal, was im Grundgesetz steht oder daraus gelehrt wird.“ Die Mehrheit denkt anscheinend wie Landowsky und Co. und toleriert die Praxis von Schönbohm. Der Scharfmacher Landowsky redet von „Abschaum“ und „Ratten“. Und ginge es nach dem Willen der CDU-Parteibasis, so dürfte Schönbohm noch mehr, um die Hauptstadt von Ausländern, Hausbesetzern, Obdachlosen und Sprayern usw. zu säubern [...] Urs Roth
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