: Bahnkapitäne: Fluten im Griff
■ Bahn versucht sich in Schadensbegrenzung, doch die Ursache für den Wassereinbruch bleibt unklar. Grüne halten die Bautechnik für ungeeignet. IG Bau vermutet „Pfusch“ durch unqualifizierte Arbeiter
Am Tag nach dem Wassereinbruch in den Neubau der Eisenbahntunnel am Landwehrkanal übte sich die Deutsche Bahn in Schadensbegrenzung. „Wir beherrschen den Sachverhalt“, betonte Horst Heller, Sprecher der DB-Projekte. Es habe zu keinem Zeitpunkt Gefahr für Menschen und Material bestanden. Bereits in sechs bis acht Wochen soll der Schaden behoben sein. Der Wassereinbruch habe keinen Einfluß auf die für das Jahr 2002 geplante Fertigstellung der gesamten Tunnelanlage.
Dem steht der bündnisgrüne Verkehrsexperte Michael Cramer freilich skeptisch gegenüber. Das Eröffnungsdatum sei von 2000 bereits auf 2003/2004 verschoben worden, „böse Zungen reden schon von 2010“. Gravierend aber sei die Frage, ob die angewandte Technik des Senkkastenbaus in der Berliner Sumpflandschaft überhaupt geeignet sei. Sowohl am Regionalbahnhof am Potsdamer Platz als auch am geplanten Zentralbahnhof Lehrter Straße solle mit dieser Technik gebaut werden. „Wenn die Bahn das am Landwehrkanal nicht in den Griff bekommt, muß sie an diesen Stellen möglicherweise ganz neu planen.“ Berlin und der Bund sollten nun den Baustopp nutzen, um die Ursachen zu analysieren und über den Fortgang der Baumaßnahmen nach einem öffentlichen Dialog zu entscheiden. Bahn-Sprecher Heller kündigte dagegen lediglich an, nach einer nochmaligen Untersuchung entsprechende Vorkehrungen für die weiteren Baugruben zu treffen.
Cramer betonte erneut, es habe zum Tunnelprojekt „kostengünstigere, schnellere und verkehrspolitisch bessere Alternativen“ gegeben: den Ausbau des Innenringes der Eisenbahn und die Ertüchtigung des Bahnhofs Friedrichstraße zum Regierungsbahnhof statt des Zentralbahnhofs Lehrter Straße.
Unterdessen blieben Unfallausmaß und -ursache weiter unklar. Bahn-Sprecher Heller widersprach Augenzeugenberichten, nach denen eine Baustraße auf dem Gelände weggesackt sei. Es habe keine Einsturzgefahr für Straßen und Gebäude gegeben. Polizisten vor Ort hatten Einsturzgefahr als Grund für die weiträumige Absperrung genannt.
Durch eine fünf Meter dicke Betonwand, die die Tunnelenden vor dem Grundwasser schützen sollte, sei zunächst auf drei bis vier Zentimetern Wasser eingedrungen, erklärte Kurt Brink, Sprecher der Firma Hochtief, die die Tunnelarbeiten leitet. Sofort nachdrängender Sand habe weitere Wandteile weggerissen. Nach Abschluß der Flutung sollen Taucher den Schaden analysieren. Es sei ein Schaden in Millionenhöhe entstanden. Nach Angaben von Justizsprecher Rüdiger Reiff trifft die Baufirmen keine Schuld. Auslöser des Unglücks sei offensichtlich ein Stein im Beton gewesen, durch den der Beton porös geworden sei.
IG-Bau-Geschäftsführer Rainer Knerler hatte gestern „Pfusch am Bau“ als Unfallursache vermutet. Es gebe keinen Betrieb auf dem Bauareal am Potsdamer Platz, der nicht direkt oder indirekt unqualifizierte, meist portugiesische Arbeiter einsetze. Diese könnten die Tragweite von Baufehlern nicht überblicken. Hochtief-Sprecher Brink wies die Vorwürfe zurück. „In diesem Bereich“ seien ausschließlich „führende Spezialfirmen“ eingesetzt worden. ga/bpo
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