: Ein Sack voller Luft
■ Für die Konstruktion des Imax-Rundkinos am Potsdamer Platz wurde ein 35 Meter hoher Luftballon aufgeblasen
Die Sache hatte generalstabsmäßigen Charakter: Oben, im 15. Stockwerk des neuen debis-Hochhauses am Potsdamer Platz, standen die Projektleiter wie auf einem Feldherrnhügel. Handys wanderten von Hand zu Hand, Walkie- Talkies brummten. Jürgen Ahlbrecht, debis-Immobilien-Chef, rückte sich den Bauhelm zurecht, als Zeichen mit den schwitzenden Arbeitern tief in der Baugrube für das zukünftige Imax-Rundkino ausgetauscht wurden. Dann war es soweit, 12.50 Uhr Ortszeit. Eugen Stratmann, Projektleiter des Imax- Kinos, schaltete sein Funkgerät an: „Gebläse marsch!“ lautete das Kommando. Und drunten sah man, wie sich Stück für Stück ein riesiger türkisfarbener Plastiksack langsam mit Luft füllte. Das war (fast) alles.
Daß debis den Fortgang der Baustelle wie ein Theaterstück mal peinlich, mal weniger gekonnt inszeniert – man erinnert sich an die Grundsteinlegung 1994, die Betontaucher 1995 oder den Tanz der Kräne 1996 –, ist nichts Neues. Wenn nun der Konzern, wie gestern, wieder zum großen Ballyhoo bläst, als innerhalb von einer Stunde ein Luftballon im Durchmesser von 35 Meter aufgepumpt wurde, mag das daran liegen, daß die Kritik über die fertigen debis- Bauten nicht die beste ist.
Immerhin, die Besonderheit „der bautechnischen Meisterleistung für das Imax-Kino“, wie Pressesprecherin Ute Wüest von Vellberg erklärte, ist nicht ohne. Die Kuppel des Filmtheaters (Architekt Renzo Piano) im Zentrum des neuen Quartiers entsteht in einem völlig neuartigen technischen Verfahren. In die entfaltete Kunststoffhülle wird in einem ersten Arbeitsgang eine drei Zentimeter dicke Stahlfaserbetonschicht auf die dünne Folie gespritzt, damit diese ihre Form behält.
In den kommenden Tagen würde dann, so Oberbauleiter Albrecht Häberle, der bis zu 30 Zentimeter starke Betonmantel gegossen. „Gegenüber der konventionellen Stahlbetonbauweise kann bei diesem Verfahren auf eine aufwendige Schalung verzichtet werden. Neben geringem Materialaufwand und kurzer Bauzeit hat dies den Vorteil, daß alle Arbeiten witterungsunabhängig ausgeführt werden können.“ Nach Ansicht Häberles soll der Kugelbau in acht Wochen im Rohbau fertiggestellt sein. Das Verfahren wurde in den USA entwickelt, in dieser Größenordnung jedoch noch nicht angewandt.
Die Kuppel, so von Vellberg, bilde einmal den Zuschauerraum eines „Kinos der Superlative“. Dort können bis 440 Besucher Imax- und 3-D-Filme sehen. Die dafür nötigen unterschiedlichen Leinwände, die bis zu 600 Quadratmeter Fläche bieten, würden entsprechend der Projektionsart jeweils aus der Kugel herausgeschwenkt. Wolle man den Kinosaal verwandeln, würde aus der Kuppeldecke eine Schale wie ein Visier vor die Leinwand gesenkt. Und fertig ist der Theaterraum.
Daß das einzige Berliner Rundkino am Breitscheidplatz, die „blaue Kugel“, nach wenigen Monaten pleite ging und man heute daran denkt, die leerstehende Kugel abzureißen, ficht die zukünftigen Betreiber nicht an. Dieter Buchwald von „Big Screen“ hält das Kino mit einer zehnmal größeren Bildfläche als das herkömmliche 35-mm-Kinoformat für ein „Meisterwerk an Präzision“, das Zuschauer „alles, was man bisher erlebt hat, vergessen läßt“.
Steht man im debis-Feldherrn- Tower und blickt hinunter auf die riesige Baustelle, hat das debis- Areal endgültig an Form gewonnen. Alle 19 Gebäude sind im Bau, die Straßen lassen sich als Schluchten erkennen. An der geplanten Fertigstellung des Quartiers Ende 1998 läßt von Vellberg keine Zweifel aufkommen – an der Qualität der Architektur übrigens auch nicht. Wer das überprüfen will, kann am Samstag zum ersten Straßenfest auf dem Potsdamer Platz ab 16 Uhr gehen. Rolf Lautenschläger
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