piwik no script img

Unterm Strich

„Jeglicher Glam“ sei aus dem Berliner Ensemble gewichen, war vorgestern in unserem Rückblick auf die Schaubühne zu lesen gewesen, da ist es auch schon soweit: Der Chefdramaturg des BE, Carl Hegemann, ist zurückgetreten. Er sehe sich nicht in der Lage, die lange Interimszeit bis zur Übernahme des Theaters durch den derzeitigen Burgtheaterdirektor Claus Peymann 1999 zu überbrücken, sagte Hegemann am Donnerstag vor Journalisten, wortwörtlich: „Ich möchte diese zwei Jahre ,Verwesen‘ hier nicht mitmachen.“ Hegemann gehörte, nachdem der noch von Heiner Müller persönlich eingesetzte Martin Wuttke Ende vergangenen Jahres als Intendant das sinkende Schiff verlassen hatte, neben dem Regisseur Stephan Suschke und Geschäftsführer Peter Sauerbaum zur Interimsleitung des Berliner Ensemble.

Was fehlt? Vielleicht bald das Goethe-Institut in Palermo. Wogegen nicht nur der dortige Bürgermeister und Anti-Mafia- Kämpfer Leoluca Orlando protestiert, sondern auch Althermeneutiker Hans-Georg Gadamer. Der ist nämlich Ehrenbürger der Stadt Neapel und hat somit ein warmes Herz für den chronisch vernachlässigten Süden Italiens. Die Schließung des Goethe-Instituts bringe, so Gadamer, den Mezzogiorno weiter ins kulturelle Abseits und setze so eine jahrhundertealte Fehlentwicklung fort; wir werden das – so hofft der weise Mann – in „unserem Land“ und „unseren östlichen Provinzen“ hoffentlich besser machen.

Während die kleinen Sizilianer also bald gar kein Deutsch mehr lernen dürfen, hat die Tochter unseres Rechtschreib-Rebellen Friedrich „Kohlhaas“ Denk wahrscheinlich schon angefangen, so richtig zu büffeln – nach den neuen Regeln. Schließlich hat das Münchener Verwaltungsgericht den Eilantrag von Papa Denk gegen die Rechtschreibreform locker abgewehrt. Auch in Nordrhein-Westfalen bröckelt die Front der Gegner. Eine Gladbecker Grundschule hatte – ein kluger Schachzug – reformunwilligen Eltern angeboten, daß ihre Kinder Einzelunterricht nach den alten Regeln bekommen. Die Eltern zogen aus pädagogischer Sorge ihren Antrag zurück, das Verfahren am Oberverwaltungsgericht in Münster wurde eingestellt. Damit steht es in Sachen Reform-Pros gegen Reform-Kontras sieben zu sechs in erster Instanz; in zweiter Instanz sogar zwei zu null.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen