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Europa hat Beißhemmung

■ Die Europäische Union läßt Ultimatum gegen USA wegen umstrittener Kuba-Sanktionen der US-Regierung verstreichen

Brüssel (taz) – Die Europäische Union wollte gestern doch nicht zubeißen. Sie will lieber leise weiterbellen. In der Nacht zum Donnerstag war das Ultimatum an die USA, die Sanktionsdrohungen gegen europäische Investoren in Kuba, Iran und Libyen zu entschärfen, ohne Ergebnis verstrichen. Aber die 15 EU-Regierungen wollen keine Eskalation der Auseinandersetzung. Die EU-Kommission soll offensichtlich nächste Woche in Paris weiterverhandeln. Die EU hatte mit einer Klage vor der Welthandelsorganisation WTO gedroht, wenn Washington nicht bis zum 15. Oktober den Helms-Burton- und den D'Amato-Act abmildere.

Das Helms-Burton-Gesetz sieht vor, daß ausländische Firmen vor US-Gerichten auf Schadensersatz verklagt werden können, wenn sie Geschäfte mit kubanischen Unternehmen machen, die aus Enteignungen im Zuge der Revolution in den 50er Jahren hervorgegangen sind.

Der D'Amato-Act richtet sich gegen Libyen und Iran, die von den USA als Drahtzieher des internationalen Terrorismus beschuldigt werden. Wer in einem der beiden Länder mehr als 40 Millionen Dollar investiert, muß mit Strafaktionen der USA rechnen. Für die EU sind die beiden Gesetze, die nach den ultrakonservativen Senatoren Helms-Burton und D'Amato benannt sind, ein Verstoß gegen das Völkerrecht, da sich die USA damit anmaßen, US-Gesetze auf die ganze Welt auszudehnen.

Die logische Konsequenz wäre deshalb eine Klage vor der WTO. Doch davor schrecken die EU-Regierungen zurück, weil die USA bereits angedeutet haben, einen WTO-Spruch notfalls zu ignorieren. Das würde die Autorität der noch jungen Welthandelsorganisation empfindlich schwächen, wovor die EU-Regierungen offenbar mehr Angst haben als die USA.

Die EU-Kommission soll deshalb in Verhandlungen Garantien erreichen, daß die beiden Gesetze in der Praxis keine Anwendung finden. Dabei kommt ihr entgegen, daß auch die US-Regierung über die vom US-Kongreß beschlossenen Sanktionsdrohungen nicht glücklich ist. Die jüngste Ankündigung des französischen Erdöl- Konzerns Total, 3,5 Milliarden Mark in die Erdgasförderung im Iran zu investieren, zeigt das Dilemma, in dem die US-Regierung steckt. Total hat sich vorher aus dem US-Geschäft zurückgezogen und ist deshalb kaum verwundbar.

Zudem ist an dem Deal auch die russische Gasprom beteiligt, gegen die Washington keinesfalls vorgehen will, um die Beziehungen zu Moskau nicht zu belasten. Gleichzeitig sitzen der US-Regierung eine Reihe konservativer Kongreßabgeordneter im Rücken, die auf die Gesetzestreue ihrer Regierung pochen.

Eine Lösung des Konflikts war gestern nicht in Sicht. Die Gespräche kreisten immer wieder um zwei Punkte: Zum einen will Washington mit Blick auf Kuba Prinzipien zur Stärkung des Investitionsschutzes für völkerrechtswidrige Enteignungen festschreiben, zum anderen will die EU die exterritoriale Gesetzgebung der USA vom Tisch haben.

Aus Diplomatenkreisen hieß es aber, man könne sich eine Einigung auf der Basis einer engeren Kooperation bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus vorstellen. Das Problem dabei: Die USA setzen auf harte Handelsblockaden, die Europäer auf Wandel durch Handel.

Sowohl die USA als auch die EU scheinen derzeit auf Zeit zu spielen. Solange die Verhandlungen laufen, muß Washington keine Sanktionen verhängen. Die EU macht sich nur lächerlich, wenn sie Ultimaten aufstellt, die sie dann ohne Konsequenzen verstreichen läßt. Alois Berger

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