Durchs Dröhnland
: Nette Männerchöre

■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Der schöne, schwere Rockscheiß ist tot. Es lebe Stone in Surf, die zwar allesamt Berliner sind, aber sich in New York gründeten, als die Yankees gerade die World Series gewannen. Der alles beherrschende Klang ihrer Gitarren erinnert allerdings weniger an die Ostküste als an selige SST-Zeiten, die gemütlich schaukelnden Rhythmen und der erdbraune Sound gar an Kyuss. „Modern“ wollen sie klingen, haben sie vermeldet, und „Lederjacken-Klischees“ vermeiden. Beides ist ihnen nicht so recht gelungen, aber dank einem netten Hang zur Nostalgie ist das hier wunderschöne Musik.

Mit Evelyns Pork, Luttes Gam, Belisha Beacon, Supergloom, 12. 12., 21 Uhr, Die Insel, Alt- Treptow 6, Treptow

Urban Voices ist ein Projekt des Saxophonisten Joachim Gies und des Cellisten Thomas Böhm-Christl, die sich und ihre Instrumente als Grundlage zur Verfügung stellen für die Improvisationen von Kollegen, vor allem stimmliche, aber auch instrumentale. Einzige konzeptionelle Vorgabe ist: keine klassischen Rhythmusinstrumente, kein Schlagzeug, keine Percussion. Das können die Melodieinstrumente übernehmen, sollten es vielleicht auch, aber tun es nur selten. Nach einer ersten CD hat man nun gleich ein Festival organisiert, bei dem an jedem der drei Abende die Besetzung wechselt und man mal nur zu zweit, mal zu neunt ausloten wird, was möglich wird, wenn man auf Rhythmus verzichtet.

12.–14. 12., 20 Uhr, Ballhaus, Naunynstraße 27, Kreuzberg

Die Kompositionen von Thomas Hickstein erweitern zwar nicht die bekannten Ausdrucksmöglichkeiten des Flamenco, aber im Duo Elva y Tomas verwaltet der Flamenco- Gitarrist zusammen mit der Sängerin und Tänzerin Elva La Guardia das Erbe auf allerhöchstem Niveau, auch wenn man sich hin und wieder etwas mehr Trauer und Leidenschaft und weniger technische Demonstration wünschen würde.

14. 12., 19 Uhr, HdKdW, John- Foster-Dulles-Allee 10, Tiergarten

Während Queen Latifah die längst verdiente finanzielle Anerkennung zuletzt eher auf der Leinwand einzufahren scheint, schaffte dagegen mit MC Lyte eine der wenigen anderen weiblichen MCs der ersten Stunden relativ früh den Mainstream- Durchbruch. Dazu bedurfte es allerdings einer eher souligen Grundstimmung und einer Tour im Vorprogramm von Janet Jackson. Die dicken Mäuse kamen dann dieses Jahr mit einer Platte, auf der nicht eben kleine Hits von Diana Ross, Tina Turner, Barry White oder The Times gesamplet werden, wo ein Duett mit Bootsy Collins stattfindet, selbst der unsägliche R. Kelly eine seiner Schnulzen beisteuern darf und nicht zuletzt die „Cold Rock Party“ durch den Remix des unvermeidlichen Puff Daddy in die Charts befördert wurde. Zugute halten muß man Lyte, daß sie zwar offensichtlich dort oben ankommen wollte, aber dabei ihre Produzenten so gut im Griff hat, daß die ihr zwar extrem glatte, aber auch so extrem coole Beats hinmischen, daß man gar nicht böse sein mag.

Mit den Coolen Säuen, 15. 12., 20 Uhr, SO 36, Oranienstraße 190, Kreuzberg

Es gab mal eine Zeit, da hat Jim O'Rourke elektrische Gitarre gespielt, ohne sie anzufassen. Er stand auf der Bühne und starrte das Ding zusammen mit dem Publikum einfach an. Die Sache lief sich natürlich irgendwann tot, und O'Rourke legte das Ding ganz in Ecke, um sich fortan Tonband-Collagen zu widmen. Mit dem Gitarristen Loren Mazzacane Connors betritt er nun für seine Verhältnisse schon fast klassische Bereiche. Mitten in den nur beim oberflächlichen Hören strukturlos scheinenden Improvisationen blitzen kurze Zitate aus der ausführlichen Geschichte der Gitarre auf. Die beiden spielen mit den Klischees, lassen sie dadurch vergessen und schaffen dabei eine Freiheit, die jeder zum beliebigen Assoziieren nutzen kann.

16. 12., 21 Uhr, Die Insel

Auch aus den standhaftesten Rockern werden mal alte Männer, das geht auch Ritchie Blackmore nicht anders. Der Gitarrist, der mit Deep Purple den Heavy Metal miterfand und ihn dann mit Rainbow ausführlich zu Tode ritt, hatte wohl seiner Freundin Candice Night versprochen, sie dürfte auch mal singen. Als Blackmores Night macht das Pärchen nun einen auf Mittelalter, läßt die Mandolinen und Tamburine gar lieblich daherklappern und versorgt das Ganze mit ein paar eingängigen Melodien. Das ganze hört sich an wie der Soundtrack für die nächste überflüssige Robin- Hood-Verfilmung. Womit bewiesen wäre, daß harte Rocker nicht nur alt werden, sondern auch einen weichen Kern haben. Wer das nicht gewußt hat, wird sich möglicherweise freuen, es erfahren zu haben. Oder auch nicht.

17. 12., 21 Uhr, Passionskirche, Marheinekeplatz, Kreuzberg

Auch wenn Sens Unik aus Lausanne stammen, kann man sie ohne große Probleme der französischen HipHop-Szene zurechnen, die in Gestalt von IAM, MC Solaar oder Alliance Ethnik auch immer gern gesehener Rap-Gast war. Der einzige nennenswerte HipHop-Export der Schweiz mag es aber eher konservativ, wenn der Rhythmus schon wieder im gleichen gemütlichen mittelschnellen Tempo umherloopt. Auch wenn sie sich in letzter Zeit Mühe gegeben haben, etwas weicher zu klingen, und auch wenn sie sich einen Schlagzeuger zugelegt haben: Sens Unik hören sich aus voller Überzeugung immer etwas altertümlich an. Die netten Männerchöre von viel früher haben sie durch eine Sängerin namens Deborah ersetzt, die unlängst selbst ein ziemlich flottes Soul-Album gemacht hat, bei dem ausführlich auch die rappenden Kollegen zu Wort kommen.

Mit Cora E. und Blumentopf, 18. 12., 20 Uhr, SO 36 Thomas Winkler