: Pestizide bleiben im Trinkwasser
Das neue Pflanzenschutzgesetz schützt die Bauern und nicht das Wasser. Unveröffentlichtes Papier belegt hohe Giftkonzentrationen in Flüssen und Talsperren ■ Von Niels Boeing
Berlin (taz) – Die Bundesregierung will zusammen mit den Landwirtschaftsministern der Länder die Einschränkung von trinkwasserbelastenden Pestiziden verhindern. Seit Monaten blockieren sie die Veröffentlichung eines Papiers des Länderarbeitskreises Wasser (Lawa). Das belegt: 23 von 100 gemessenen Pflanzenschutzmitteln weisen in großen Flüssen und Talsperren Konzentrationen auf, die über dem derzeit zulässigen Grenzwert für Trinkwasser liegen. Der beträgt ein Zehntel Mikrogramm pro Liter. Die Wasserwerke müssen dafür sorgen, daß das Wasser aus der Leitung den Vorschriften entspricht.
In der Neufassung des Pflanzenschutzgesetzes, das in der nächsten Woche in zweiter Lesung den Bundesrat passieren soll, will die Bundesregierung an der „guten fachlichen Praxis“ der deutschen Landwirte festhalten. „Die Ergebnisse zeigen, daß das nicht reicht. Wir brauchen in dem Gesetz endlich konkrete Regeln, wie die Bauern Pestizide anwenden sollen“, fordert Ulf Jacobs, Pestizid-Experte bei der Umweltstiftung WWF Deutschland. Der Bundesrat solle deshalb dem Gesetzentwurf nicht zustimmen und den Vermittlungsausschuß anrufen. Zwar hat die Bundesregierung „Leitsätze der guten fachlichen Praxis“ für Bauern herausgegeben. Doch rechtlich verbindlich sind sie nicht. „Die fallen sogar hinter die bereits anerkannten Mindeststandards, wie den minimalen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, zurück“, sagt Jacobs.
Mit der Neufassung soll das Pflanzenschutzgesetz an das EU- Recht angepaßt werden. Dort gilt der Pestizid-Grenzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter nur für das Trinkwasser aus dem Wasserhahn und für Grundwasser, nicht aber für Flüsse und Seen, aus denen immerhin ein Drittel des deutschen Trinkwassers entnommen wird.
Statt eines „Reparaturbetriebs“ durch Filter in Wasserwerken fordert der WWF zusammen mit dem Naturschutzbund Deutschland einen flächendeckenden Gewässerschutz. Hierzu zählen ein konsequenter ökologischer Landbau und ein Pestizidverbot in Natur- und Wasserschutzgebieten sowie in Kleingärten. In Schweden konnte der Pestizideinsatz durch eine Extra-Abgabe bereits um ein Drittel gesenkt werden.
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