piwik no script img

Italien schafft den Sesselhocker auf Lebenszeit ab

■ Nach einem neuen Vorstoß der linksliberalen Regierung soll es künftig keine unkündbaren Beamten mehr geben. Wer faul ist oder sich partout nicht versetzen lassen will, wird entlassen

Rom (taz) – Italiens linksliberale Regierung verpaßt dem Land einen Modernisierungsschub nach dem anderen: Nach der Einführung der unbeschränkten Gewerbefreiheit und der zur Entscheidungsreife gebrachten Verfassungsreform hat sich das Kabinett Prodi nun an die Abschaffung von Beamtenprivilegien gemacht – und dabei so ziemlich alle anderen europäischen Staaten überholt. Künftig soll es keine Staatsdiener auf Lebenszeit mehr geben – alle Beamten sind ab Inkrafttreten des Gesetzes kündbar. Etwa, wenn sich der Beamte als faul, unzuverlässig oder abgeneigt jeglicher Versetzung erweist. Nur Stellenstreichungen sind kein Entlassungs-, sondern nur ein Versetzungsgrund. Leitende Beamte erhalten nur noch auf fünf Jahre befristete Verträge, die allerdings beliebig oft verlängert werden können.

Auch die Zuweisung der Beamten wird grundsätzlich neu geregelt: mehr Beschäftigte für die Regionen, Provinzen und Gemeinden, Abbau des Wasserkopfes in Rom. Schluß auch mit den zentralen Einstellungsprüfungen, bei denen sich mitunter mehr als hunderttausend Aspiranten auf ein paar hundert Stellen beworben hatten und mit umständlichen, oft Jahre dauernden Prüfungsverfahren ausgesiebt wurden. Ämter, die Stellen zu besetzen haben, dürfen künftig selbst ausschreiben.

Bevor die Beamten völlig verunsichert werden, sucht Minister Franco Bassanini, nach dem die Reform benannt ist, seine Staatsdiener zu beruhigen: „Was die Flexibilität anbelangt, so wird sich die Versetzung von Beamten und Staatsangestellten in ganz, ganz engem Rahmen halten, ein paar tausend im ganzen Land vielleicht.“ Und in Sachen Effizienz „müssen wir natürlich auch erst Kriterien erarbeiten, mit denen dann die Tätigkeit eines Beamten gewertet wird“. Und das, so die frohe Botschaft, kann natürlich dauern – jahre-, vielleicht jahrzehntelang.

Was wohl auch der Grund dafür ist, daß Italiens Beamte die Reform, bisher zumindest noch, ohne großes Murren über sich ergehen lassen. Werner Raith

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen