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Zwischen den RillenEchte Player und heilige Tugenden

■ In Stellung gegen die totale Verpuffdaddysierung der Welt – die Rückkehr der alten Schule: Run DMC und Oran „Juice“ Jones

In Zeiten, in denen ein mittelmäßiger Run DMC-Remix an den Spitzen der Charts steht („It's like that“) und sich eine gute Coverversion ebenfalls nicht schlecht verkauft („Hard times“ von Westbam), ist es nicht verwunderlich, daß die Plattenfirma eine „Best of“-Kompilation auf den Markt bringt, die schon einmal vor sechs Jahren rausgekommen ist. Doch trotzdem, jenseits der Verkaufslogik, stellt sich die Frage: Warum ausgerechnet jetzt? Warum werden ausgerechnet jetzt wieder die heiligen Tugenden des HipHop – Sprühen, Breaken und Rappen – betont?

Als Run DMC Anfang der 80er das erste Mal auftauchten, mobilisierten sie gegen die B- Boys der ersten Stunde wie Grandmaster Flash oder die Sugarhill Gang genau das, was HipHop ausmachte, nämlich den Streetstyle. Denn obwohl die HipHop-Kultur Ende der 70er auf der Straße entstand, sahen die ersten Rapstars nicht danach aus und hörten sich auch nicht so sehr danach an – außer Run DMC. Wo sich die einen noch an Disco und die anderen an Funk orientierten, holten Run DMC den Sound der Blockparty auf die Platte.

Minimalistische, rauhe Beats und harte Rhymes. Und nicht nur das: Mit ihren Godfatherhüten, Lederjacken und Goldketten sahen sie aus wie die Dealer von der Ecke, was gegenüber dem Monsterfunk-Outfit von Grandmaster Flash ein nicht zu unterschätzender Vorteil war. Damit begründeten sie die New School of HipHop, und die Old School und ihr stark discofunk- orientierter Sound hatte erst einmal ausgespielt. Mit „Walk this way“ und „King Of Rock“ begründeten sie einige Jahre später das HipHop-Hardrock-Crossover, das sich aber mit einem Jahrzehnt Abstand wesentlich weniger frisch anhört als die reinen, minimierten Rapstücke.

Unzählige Schulen sind seitdem gefolgt, und Run DMC sind mittlerweile die Godfathers des HipHop, der Konsens zwischen allen noch so unterschiedlichen Fraktionen. Wenn sie in einem Interview sagen: „We are down with God, and God is down with us“ (etwa: Wir sind mit Gott, und Gott ist mit uns), dann war das nicht nur cool, sondern in einer bestimmten Art auch wahr. Konsequenterweise nennt Rapper Run sich seit einigen Jahren „Reverend“, und hat in seinem Haus in Queens einen Altar im Wohnzimmer stehen. Mit einem solchen Status sind Run DMC gemacht für Anrufungen jedweder Art.

Wenn es also im HipHop zur Zeit darum geht, Fähigkeiten wie Breakdancen, die zu erlernen man Jahre braucht, gegen die Verpuffdaddysierung der Welt in Stellung zu bringen, bieten sich Run DMC als Gewährsleute geradezu an.

Als Oran „Juice“ Jones Mitte der 80er auftauchte, hatte er zwar mit Russell Simmons, dem Bruder von Run, den gleichen Produzenten wie Run DMC. Doch damit hörten die Gemeinsamkeiten schon auf. Als alter Kumpel von Kurtis Blow war er für Adidas-Schuhe nicht zu haben und trug lieber teure Anzüge und italienische Schuhe. Oran „Juice“ Jones mimte noch einmal den Pimp, eine Zentralfigur der schwarzen Popkultur der 70er. Also: kein BMW, sondern ein goldener Cadillac. Das reichte mit „The Rain“ für einen Riesenhit, danach verschwand Oran „Juice“ Jones in der Versenkung, nur um ab und zu aufzutauchen, schlechte Platten herauszuwerfen und wieder zu verschwinden.

Doch auch Oran „Juice“ Jones ist wieder da, und sein Comeback steht ihm nicht schlecht zu Gesicht. Für einen echten Player gehört das Auf und Ab zum Spiel. Denn so wie es in Gangsterfilmen immer diejenigen gibt, die sich nicht mehr an die Regeln halten, gibt es auch die, die sie respektieren. Und Oran „Juice“ Jones spielt nach den Regeln. Die sind alles andere als neu, sondern ziehen sich wie ein roter Faden durch die afro- amerikanische Popkultur, von der Autobiographie des Jazzbassisten Charles Mingus über die Romane von Iceberg Slim und Blaxploitationfilme bis zu Rappern wie Big Daddy Kane. Ein Pimp ist „Cold Blooded“, hat sich entschlossen in der „Underworld“ zu leben, sein Erfolg beruht mehr auf „Making love to your mind“ als auf physischen Fähigkeiten. Das ist für alle Beteiligten natürlich alles andere als toll, aber in einer Welt in der „Purse comes first“ und nur Cash zählt, geht es eben einsam zu. Wer „The Life“ lebt, muß eben „The Game“ spielen können. Und genauso inszeniert sich Oran „Juice“ Jones: als Gangster of love der alten Schule. Hier steht der Mack: ein Hustler, ein Player, ein Pimp und kein Drogendealer.

Näher als auf „Players Call“ kommt heute niemand an 70er- Soul heran, ohne eine Revivalband aufzumachen. Das liegt vor allem daran, daß Jones zur Aufnahme der Platten nach Memphis in die alten Stax-Studios pilgerte und sich dort die Musik von Heroen aus alten Tagen, wie dem Drummer von Booker T. oder den Memphis Horns, einspielen ließ: Das hört sich an wie eine Mischung aus Curtis Mayfield und Al Green. Und Jones' Kumpel StuLarge brummt wie Barry White dagegen. A propos Verpuffdaddysierung der Welt: Zum neusten Bad-Boy-Zögling Maze und seiner Platte „Harlem World“ verhält sich Oran „Juice“ Jones etwa so wie Country-Legende Jonny Cash zu Country-Greenhorn Garth Brooks. Tobias Rapp

Run DMC, Greatest Hits

(Profile/Edel)

Oran „Juice“ Jones: Player's Call

(Tommy Boy/EastWest)

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