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Archiv-Artikel

Schweden-AKW wieder vom Netz

Wegen erneuter Sicherheitsprobleme musste das schwedische Vattenfall-Atomkraftwerk in Forsmark schon wieder abgeschaltet werden. Dichtungen wurden seit zehn Jahren nicht kontrolliert. Der Schaden wurde nur zufällig entdeckt

AUS STOCKHOLMReinhard WOLFF

Wegen Sicherheitsmängeln im schwedischen AKW Forsmark mussten am Samstag erneut zwei der drei Reaktoren abgeschaltet werden. Eine vor einigen Tagen vorgenommene Materialprobe an Filterdichtungen des Reaktors 1 habe ergeben, dass sie möglicherweise ihre Funktion nicht mehr erfüllen könnten. Sie seien porös, heißt es in der offiziellen Begründung. Als Reaktion darauf schalteten die Verantwortlichen zuerst einen Reaktor ab. Zwölf Stunden später fuhren sie auch einen zweiten, baugleichen Reaktor herunter.

Müssen die fraglichen Dichtungen ausgewechselt werden, dürfte dies zu einem längeren Stillstand der beiden Reaktoren führen. Sie liegen rund 100 Kilometer nördlich der Hauptstadt Stockholm an der schwedischen Ostseeküste. Das Kraftwerk stellt knapp ein Sechstel der landesweit produzierten Elektrizität her. Die betroffenen Dichtungen haben laut Forsmark-Einschätzung im normalen Reaktorbetrieb keine Funktion. Sollte es allerdings einen Störfall beispielsweise mit einem Leck an Rohrleitungen geben, schützen die fraglichen Filter die Umwelt vor austretender Radioaktivität.

Erst in der vergangenen Woche hatte die schwedische Atomaufsichtsbehörde SKI in einem Bericht über die Vorkommnisse vom 25. Juli 2006 geschrieben, dass der Reaktor Forsmark 1 damals nur knapp an einer Katastrophe vorbeigeschlittert sei. Über die fraglichen Filter heiß es darin: Sie hätten „99,9 Prozent der vom Reaktorkern freigesetzten Aktivität aufnehmen können.“ Wie sich nun aber herausstellte, wären die Filter aufgrund von Altersschwäche möglicherweise dazu überhaupt nicht in der Lage gewesen.

Nach anhaltenden Pannenserien und Sicherheitsmängeln bei dem 26 Jahre alten Siedewasserreaktor geben die aktuellen Vorkommnisse den Kritikern nun neue Nahrung. Zuletzt wurde bekannt, dass die fraglichen Dichtungen seit zehn Jahren überhaupt nicht kontrolliert wurden und deshalb auch nicht vorbeugend ausgetauscht worden waren. Womöglich waren diese schon seit mehreren Jahren undicht, ohne dass dies entdeckt worden war.

Anders als zunächst behauptet sei die Undichtigkeit nicht bei einer Routinekontrolle entdeckt worden, sagte Lars-Olov Höglund, ehemaliger Konstruktionschef bei Vattenfall-Forsmark. „Die Sicherheitssysteme kontrolliert man, wenn der Reaktor zu seiner jährlichen Revision abgestellt ist. Da steht das Kraftwerk ja sowieso still.“ Angesichts der Produktionsverluste, die ein Stillstand mit sich bringe, halte er es für eher unwahrscheinlich, dass man einen Reaktor von einer Stunde auf die andere nur wegen Alterserscheinungen an einer Dichtung abstelle.

Höglund gab zu bedenken, dass man die Reaktoren zu Revisionsarbeiten nicht etwa so lange abschalte, wie das eigentlich notwendig sei, sondern man „lässt vielleicht gewisse Kontrollen ganz einfach aus“.

Kritisch äußert sich auch Björn Karlsson, Professor für Energietechnik und Vorsitzender des Expertenkomitees der Aufsichtsbehörde SKI: „Es gibt mindestens 50 Einzelpunkte, die es alles andere als selbstverständlich erscheinen lassen, Forsmark einfach wieder in Betrieb gehen zu lassen.“ Bislang konnte er sich mit seiner fachlichen Bewertung allerdings nicht gegen die Führung der staatlichen Aufsichtsbehörde durchsetzen. Kritiker werfen ihr schon lange vor, bei ihren Entscheidungen einseitig auf das Interesse an einer reibungslosen Atomstromproduktion abzustellen.

Auch die aktuellen Dichtungsprobleme hatten SKI nicht veranlasst, von sich aus aktiv zu werden: Der AKW-Betreiber sei für die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften verantwortlich, heißt es in einer Presseerklärung lapidar.

Die erklärte inzwischen, die Reaktoren könnten erst wieder ans Netz gehen, wenn gesichert sei, dass die Dichtungen einwandfrei funktionierten. Insgesamt waren am Wochenende vier von zehn schwedischen Atomreaktoren nicht am Netz, nachdem bereits zwei im Kraftwerk Ringhals wegen technischer Probleme heruntergefahren worden waren.