: Im Bauch der Metropole
Beim Internationalen Festival „Film und Architektur“ stehen nicht Architekten und Bauwerke im Mittelpunkt,sondern die filmische Erfahrung urbaner Räume ■ Von Rolf Lautenschläger
„Was Architekten, wenn sie als Protagonisten in Filmen vorkommen, am wenigsten tangiert, sind Fragestellungen der Architektur“, schrieb einmal Ralph Eue in der Fachzeitschrift Bauwelt. Weit mehr als von Baustellen seien die Geschichten über Leinwandarchitekten — ob in „The Fountainhead“, „Der Bauch des Architekten“, oder „Berlin, Chamissoplatz“ — geprägt vom Aufbau und Abriß erotischer Beziehungen oder von der unsicheren Balance zwischen Genie und Wahnsinn.
Das ist nicht verwunderlich, erscheint doch das wilde Leben weitaus interessanter als trockene Planungkunde. Dies umso mehr, da nüchterne Porträts über Architekten und Architektur keinen guten Ruf genießen. Entweder bilden sie mäßig fotographierte Sight-Seeing-Steifen, bei denen die Kamera Fassaden hinauf- und herunterfährt, daß einem übel wird. Kaum weniger spannend sind Dokumentationen, in denen Architekten ihr eigenes Bauwerk erklären und mit der Hand ständig nach oben zeigen, als handle es sich um den Turmbau zu Babel. Beton und Film scheinen sich nur schwer zu vertragen.
Um dieses Dilemma zu überwinden, konzentriert sich das 3. Internationale Festival „Film und Architektur“ auf andere Darstellungsformen. Weniger der einzelne Architekt und das Bauwerk stehen im Mittelpunkt der Beiträge, als vielmehr das Medium „Film über Architektur“ selbst sowie die filmische Erfahrung urbaner Räume. „Der Focus des Programms“, erklärt Jana Lunz vom Mitorganisator Bund Deutscher Architekten BDA, „richtet sich auf die Vielfalt der sich verändernden Medien, die zunehmende Verschmelzung medialer Darstellungsformen und deren Folgen für Kommunikationsstrukturen und Funktionen des Urbanen“.
Weil die komplexe Erfahrung baulicher und städtischer Realität samt ästhetischer Vermittlung sich schwer mit den Techniken des klassichen Dokumentarfilms vermitteln läßt, hat die Mehrzahl der Regisseure in den Beiträgen die Grenzüberschreitung gewagt. Der Wunsch nach Totalerfahrung läßt sie in fremden Genres und Kunstgattungen wildern: mittels Elementen der Science-Fiction, des Experimentalfilms, der Bild-Ton- Collage, des modernen Tanzes oder der Video-Installation im Stile Violas.
Nur bei manchen geht das gut: So durchrasen Axel Kilian und Max Zeidler (AXIS, 1996) mit der Kamera im Zeitraffer die reale und zugleich immaginäre West-Ost- Achse Berlins: von Spandau über die Heerstraße, durchs Brandenburger Tor fliegen die Bilder am Zuschauer vorbei, als handle sich die Stadt um einen flirrenden unsteten Raum. Dort, wo der Kamera Gebäude im Wege stehen — wie am Palast der Republik oder am Knick zur Karl-Marx-Allee mit ihren Plattenbauten —, prallt diese kurz zurück, sucht sich aber wie eine Spürnase im Labyrinth einen neuen Weg über das Hindernis.
Mehr noch als die unruhigen, hektischer Räume werden Stadt und Gebäude als Cyber-Digital- Technosound-Atmosphäre erlebbar in dem Architektur-Clip „Work, Rest, Play“, England 1996, wo trashige Stadträume spielerisch in Szene gesetzt werden; ganz in der Tradition von Andy Warhols „Empire“, 1965, der ebenfalls gezeigt wird.
Neben den sarkastisch-wilden Bilderzentrifugen von Stadtlandschaften als schwindelerregende Zustände wie „Suicide Box“ (USA, 1996) und „Roundscape“ (Japan, 1997) oder der Körper- Raum-Choreographie „Rosas danst Rosas“ (1997) geht es natürlich auch anders: sozialkritisch oder hochartifiziell und erklärend. „Blight“ (England, 1995) von John Smith schildert den Abriß eines Londoner Hauses, das der Autobahn M11 Platz machen muß. Mauern stürzen, Bauarbeiter räumen die Backsteine zur Seite, Baggerschaufeln beißen sich in die Schuttberge. Am Ende hat sich eine breite Trasse durch das East- End-Quartier gefressen — die Stadt ist weg, die böse Autobahn hat sie verdrängt: „Homes not roads“, moralisiert Smith zwar in seinem Kurzfilm, unterlegt dies allerdings durch eine sarkastische Soundtrak-Montage in Gertrude- Stein-Manier, die den „Zeigefinger“ konterkariert.
Eher spröde-interessant bleiben dagegen die Filme über Architeken und ihre speziellen Bauten. In der Dokumention „Die Kunst, mit Beton zu bauen“ (1997) von Gero Weinreuter, haben Zaha Hadid, Daniel Libeskind und Tadao Ando den Beton wiederentdeckt — als Material, das ihrer Imagination keine Grenzen setzt. Der alte Baustoff, oft verdammt als kalt und unwirtlich, kommt hier anhand der Beispiele Feuerwache Weil am Rhein und Jüdisches Museum wieder als Zaubermittel der Baukunst wie zu Zeiten der klassischen Moderne zu Ehren.
Den vielleicht schönsten Film hat Dylan McNeil gedreht: „NY — The Lost Civilisation“ (USA, 1997) erzählt in Schwarzweiß die Geschichte von Bewohnern New Yorks, die allesamt durchgeknallt sind. Irre geworden an der Metropole jagen diese als Großstadtzombies tagein tagaus durch die Häuserschluchten und atmen Gullysmog ein, weil Rauchen not political correct ist. Die New Yorker sind Ironie, der Moloch ist es nicht.
„Film und Architektur“ vom 13. bis 18. März, veranstaltet vom BDA, der Brotfabrik und anderen. Festivalprogramm, Termine und Orte erhältlich u.a. beim BDA und Brotfabrik. Tel.2787990 und 4714001
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