: Kleine Geschichte des deutschen Wörtherseefilms
■ ...und wie er heut' abend an sein trauriges Ende kommt: „Die Superbullen“, 20.15 Uhr, ARD
Eine funktionierende Filmindustrie benötigt ein solides Fundament, nämlich B- und Exploitation-, sprich Low-Budget-Filme, bei deren Produktion junge Talente sich erproben können. Kaum eine Hollywoodgröße, die nicht zeitweise im Billigbereich tätig gewesen wäre. Selbst in Deutschland gab es einst dergleichen.
Wir haben den Hollywood- Schnöseln sogar ein Subgenre voraus: den Wörthersee-Film, dessen Erfindung dem Produzenten Karl Spiehs zugeschrieben wird. Es begann mit Schlagerfilmen wie „Happy-End am Wörthersee“ (1964), übernahm Elemente des Nackedeifilms („Heubodengeflüster“, 1967) und setzte sich mit diversen, auf abgehalfterte Zugpferde und inferiore Halbprominenz zugeschnittenen Burlesken fort, wobei im Vorübergehen mit dem „Gottschalk-Film“ („Die Supernasen“ u. a.) noch ein Subgenre erfunden wurde. Rückschauend muß dem Produzenten Spiehs der Status eines – im Sinne Godards – auteurs' des Abgreifkinos zugebilligt werden. Jeder seiner Filme bildete eine Matrix für sich wiederholend organisierte Erzählmuster, Strukturen und Scherze. Wie einst Ford arbeitete auch Spiehs mit einem festen Stamm von Darstellern: Herbert Fux, Gunther Philipp, Pierre Brice und andere.
Als im Zuge der Kinokrise der Bedarf an Spiehs- und Spießerfilmen schwand, fand die Gattung Unterschlupf beim Fernsehen und ging unter dem Titel „Ein Schloß am Wörthersee“ bei RTL in Serie. Da wurden die alten Späße noch einmal hervorgekramt, und es gab, lange vor Tarantino, ein Wiedersehen mit vergessen geglaubten Koryphäen des B-Liga-Films, hier Roy Black, Peter Kraus u. a. Das ist bereits eine Weile her, und inzwischen mag selbst das Kommerz-TV solch lauwarmen Aufguß nicht mehr senden.
Die ARD aber rief: Hierher, zu uns, und ließ den Wörthersee-Clan nicht nur die „Klinik unter Palmen“ einrichten, sondern nun auch „Die Superbullen“ fertigen, für die Erich Tomek, verdienstvoller Autor von Köstlichkeiten wie „Was Schulmädchen verschweigen“, noch mal ganz tief in seine Klamottenkiste langte. Das Gefundene ist eine Art Essenz des Lebenswerks der Spiehs-Gesellen, von Otto W. Retzer („Babystrich im Sperrbezirk“) mit der gewohnten Mischung aus Nonchalance und Nachlässigkeit in Szene gesetzt. Typische Merkmale dieser Filme: der nicht mehr platte, sondern schon subterrane Komödienstadl- und Abtritthumor, eine gute Portion sprachlicher wie visueller Anzüglichkeiten, vorgetragen vom Standardpersonal, bei welchem der tolpatschige Polizist, der vertrottelte Domestike und die mannstolle Schnitte nicht fehlen dürfen.
In diesem Falle wurde bis hin zur Musik noch ordentlich bei Blake Edwards' „Der rosarote Panther“ stiebitzt, ohne dessen Niveau auch nur anscheinen zu lassen. Das Werk tarnt sich als Komödie, entpuppt sich jedoch als purer Horror. Glückwunsch, ARD – wenn Du Dir schon Müll andrehen läßt, dann aber auch gleich eine richtige Stinkbombe. Harald Keller
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