: Front gegen den Frieden
■ Nordirlands Oranier-Orden lehnt das Friedensabkommen vom Karfreitag ab und bringt damit Unionistenführer Trimble in Bedrängnis
Berlin (taz) – „Das Volk sagt ja – aber die Oranier sagen nein“ titelte gestern die Londoner Tageszeitung Guardian. Tatsächlich haben sich in einer von der Zeitung in Auftrag gegebenen Umfrage 73 Prozent der Befragten in Nordirland für das am Karfreitag unterzeichnete Friedensabkommen ausgesprochen. Die Führung des Oranier-Ordens jedoch, jener einflußreichen 30.000 Mitglieder umfassenden Protestanten-Organisation, erklärte am Mittwoch abend, der Orden könne seinen Mitgliedern nicht empfehlen, dem Abkommen zuzustimmen. Am 22. Mai soll in getrennten Referenden in Nordirland und der Republik Irland über das Abkommen abgestimmt werden.
Insbesondere in drei Punkten, sagte Ordensgeschäftsführer George Patton, bestehe Klärungsbedarf: bei der Entwaffnung der paramilitärischen Gruppen, bei der Freilassung paramilitärischer Gefangener und bei der Zukunft der nordirischen Polizei RUC. Eigentlich aber, fügte Patton hinzu, sei es egal, was bei diesen Fragen herauskäme, eine Zustimmung durch den Orden sei in jedem Falle unwahrscheinlich.
Nur Stunden vorher hatte der radikale Presbyterianer-Pfarrer Ian Paisley, Führer der „Democratic Unionist Party“, das Abkommen als „kompletten, totalen Ausverkauf“ Nordirlands und „die Mutter allen Verrats“ bezeichnet und eine „Kampagne für das Nein“ gestartet. Seinen Argumenten ist der Oranier-Orden im wesentlichen gefolgt.
Wenigstens einem Ordensmitglied dürfte das nicht gefallen haben: David Trimble, Chef der größten Unionistenpartei Ulster Unionist Party (UUP), der das Abkommen mit unterzeichnet hat und für ein „Ja“ wirbt. Wegen seiner Verhandlungsbereitschaft wird er von Paisley schon seit Monaten als Verräter beschimpft. Am morgigen Samstag wird nun die 800köpfige Delegiertenkonferenz der UUP über Zustimmung oder Ablehnung des Abkommens entscheiden. Rund ein Viertel der Delegierten sind Mitglieder des Oranier-Ordens. Während laut Guardian-Umfrage die große Mehrheit der UUP-Anhänger das Abkommen unterstützt, findet Trimble unter den Meinungsführern der Partei bislang wenig Unterstützung. Mindestens fünf der zehn UUP-Abgeordneten im britischen Unterhaus wollen gegen das Abkommen stimmen.
So steht am Samstag mit der Zukunft des Friedensprozesses auch die David Trimbles auf dem Spiel. Es ist eine Ironie der Geschichte, daß ausgerechnet der 1995 als kompromißloser Hardliner gewählte UUP-Führer jetzt für die unionistischen Extremisten zum Verräter wurde.
Eindeutiger scheint die Unterstützung des Abkommens auf republikanischer Seite. Am Wochenende tagt in Dublin der Parteitag der Sinn Féin. Eine Zustimmung zum Abkommen wird allgemein erwartet. Auch von der gemäßigt-nationalistischen SDLP, von Anfang an Befürworterin von Friedensgesprächen, sind keine Überraschungen zu erwarten.
Immerhin: Die harte Linie zahlt sich in Wählerstimmen nicht aus. Der Guardian ließ die Nordiren auch nach ihrer parteipolitischen Präferenz für die zu wählende nordirische Versammlung befragen. Die DUP Ian Paisleys würde gegenüber ihrem letzten Wahlergebnis fast die Hälfte ihrer Stimmen verlieren und käme nur noch auf 7 Prozent. Bernd Pickert
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