: Ethik rechnet sich
Nachhaltiges Wirtschaften beinhaltet neben ökologischen und sozialen Aspekten auch die Frage nach dem Profit: Langfristig zahlt Gerechtigkeit sich aus. Experten sichern den moralisch-monetären Erfolg
VON MONIKA KOVACSICS
Unter Ökonomen machen Begriffe wie „Moral“, „Ethik“ und „social responsibility“ die Runde. Profit allein genügt nicht mehr. Denn auch wer sich am Profit orientiert, hat gute Gründe, nach ethischen Kriterien zu wirtschaften. Michael Schramm ist überzeugt, dass sich soziales und moralisches Engagement für ein Unternehmen auszahlen. Der Dozent für Wirtschafts- und Unternehmensethik an der Universität Hohenheim betont: „Wenn es zu einer Verbindung zwischen ethischen und ökonomischen Zielen kommt, lässt sich die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens enorm steigern.“
Gerechtigkeit erhöht die Zahl der Kunden
Auf der Stuttgarter Veranstaltung „Zukunft gestalten“ schilderte Schramm im Oktober, dass sich nur 10 Prozent der Weltbevölkerung jene Produkte leisten könnten, die heute in den westlichen Industriestaaten auf dem Markt sind. Andererseits lägen 90 Prozent der Talente der Weltbevölkerung brach, wenn es um Planung, Konstruktion und Herstellung neuer Produkte gehe. In der Inklusion dieser Bevölkerungsmehrheit sieht Schramm die große Chance: „Wenn 4 Milliarden Menschen von den produktiven Interaktionen der Gesellschaft ausgeschlossen sind, dann bleiben gewaltige Ressourcen ungenutzt. Mehr Märkte aufbauen würde demnach auch mehr Gerechtigkeit bedeuten.“
In Zeiten der Globalisierung kann es sich kein Betrieb und kein Konzern mehr leisten, die Frage nach mehr Gerechtigkeit und Armutsbekämpfung im Partnerland auszuklammern. Gerade in den Dritte-Welt-Ländern ist ein adäquater Umgang mit den Arbeitnehmern und den natürlichen Ressourcen gefordert – auch um mehr Gerechtigkeit zu schaffen. Wie das erreicht werden kann, sieht allerdings in jedem Einzelfall anders aus.
Die Initiative Swisscontact, eine Entwicklungsorganisation der Schweizer Wirtschaft, initiiert seit Jahrzehnten sozial gerechte Wirtschaftsprojekte. Bei ihren Projekten spielt unter anderem die Ausbildung vor Ort eine große Rolle. Einige Beispiele: Bei einer Hilfsaktion in Indonesien nach der Tsunami-Katastrophe bildete Swisscontact Zimmerleute und Dachdecker aus. Sie lernten, wie man stabilere Häuser und Gebäude baut, die einem Tsunami gegenüber nicht völlig wehrlos sind. Ein Projekt in Afrika bildete junge Frauen in einer Friseurschule aus, die sich dann mit einem eigenen Friseurbetrieb selbstständig machten. Und in Tansania lernten 40.000 Imker nicht nur, wie man Honig produziert, sondern auch wie sie ihre Produkte am besten auf den Markt bringen können. Hilfe zur Selbsthilfe.
Für individuelle Konzepte sind Fachleute gefragt
Neben diesen erfolgreichen eigenständigen Projekten setzt Swisscontact nun auch auf Beratung und Zusammenarbeit mit bereits bestehenden Firmen, die weltweit agieren. „Nur wenn Unternehmen mit Moral und ethischer Verantwortung Investitionen tätigen, kann es zu Wohlstand und Gerechtigkeit für die Armen dieser Welt kommen.“ Davon ist Peter Grüschow, Präsident von Swisscontact, überzeugt. Dazu bedarf es professioneller Mitarbeiter: Auslandserfahrene Experten, Entwickler und Logistiker sind gefragt.
„Profit mit Moral“ ist auch das Motto von Martin Priebe vom Deutschen Netzwerk für Wirtschaftsethik. Diese Organisation spricht vor allem die kleinen und mittelständischen Unternehmen im süddeutschen Raum an, die einen beträchtlichen Anteil am Exportvolumen generieren. Er verfolgt die Idee vom „Unternehmer als Entwicklungshelfer“ und berät Betriebe, wenn es etwa darum geht, in Ländern der Dritten Welt Arbeits- und Gesundheitsschutz zu wahren oder die Korruption zu bekämpfen.
Wie ein Konzern, ein Unternehmen oder ein Betrieb zur Armutsbekämpfung beitragen kann, lässt sich nicht generell beantworten. Individuelle Konzepte sind nötig, die viel Fingerspitzengefühl für den Wirtschaftspartner im fremden Land erfordern. Und dann ist es meist noch ein langer, harter Weg, bis sich erste Erfolge zeigen. Am Ende der Stuttgarter Veranstaltung bestand aber kein Zweifel mehr: Moral zahlt sich aus, vielleicht nicht unbedingt kurzfristig, aber auf nachhaltige Weise.
Beim weltweiten Handeln geht es immer mehr darum, sich an den Gerechtigkeitsprozessen dieser Welt zu beteiligen. Das wirkt sich – nachhaltig! – auch auf die Umsätze aus. Somit könnte sich künftig der Erfolg eines Unternehmens zum Beispiel in seinem ethischen Handeln widerspiegeln. Eine Herausforderung, vor die sich bislang vor allem die großen Konzerne gestellt sehen. Aber eine neue Wirtschaftsethik kann zu einem globalen Wettbewerbsvorteil führen. Ethik hat das Zeug zu einem Erfolgsrezept, mit dem man sich in der Weltwirtschaft vortrefflich behaupten kann.