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Böse gute alte DNA

■ Thrillt dann doch nicht das Rückenmark: Barbet Schroeders "Desperate Measures"

In „Superman 3“ unter der Regie des Beatles-Filmers Richard Lester wird der Held durch einen Unfall mit einem Klumpen Kryptonit in einen guten und einen bösen Superman gespalten. Der Böse sitzt fortan mit schmuddeligem Umhang in Kneipen herum und hält die Welt durch seine gemeinen Streiche in Atem, bis er von seinem Alter ego zur Räson gebracht wird.

Würde „Batman“, die arme reiche Fledermaus, mit dem Teufelskristall zusammenstoßen, dann käme etwa der Charakter heraus, den Batman-Darsteller Michael Keaton in dem neuen Barbet- Schroeder-Film „Desperate Measures“ verkörpert. Peter McCabe ist abgrundtief böse, intelligent, skrupellos und stark wie ein Ochse. Er sitzt wegen Mord im Hochsicherheitstrakt eines Gefängnisses in San Francisco und erkennt die einzige Chance zur Flucht, als er plötzlich von dem Polizisten Frank Connor (Kubas schönster Schauspieler, Andy Garcia) um eine Knochenmarkspende gebeten wird. Connors kleiner Sohn ist schwer krank, und die DNA von Bösewicht McCabe ist unglücklicherweise die einzige, die dem Kind das Leben retten kann.

Anfangs ein recht konventioneller Thriller, gerät der Film zu einer Art Action-Kammerspiel, als McCabe in das schloßähnliche Gefängniskrankenhaus verlegt wird, wo ihm vor der Operation mit unglaublichen Tricks die Flucht gelingt. Es folgt eine gefährliche Katz-und-Maus-Jagd zwischen McCabe, Connor und seinen Kollegen in dem nicht mehr sicheren Gebäude. McCabe braucht Connor lebendig, weil die Knochenmarksspende sonst unbrauchbar ist, seine Kollegen würden nicht davor zurückscheuen, ihn zu töten. So wird Connor unfreiwillig zum Beschützer McCabes, der dies natürlich ausnutzt. Der Gute paktiert mit dem Bösen, weil ihm das Leben seines Sohnes wichtiger ist als die Sicherheit der anderen, und wird dabei selbst immer skrupelloser.

Eine schöne Idee für ein Duell hat der Regisseur in eine ungewöhnliche Umgebung gelegt. Immer wieder stolpern McCabe, Connor und einige Nebenfiguren wie die unvermeidliche hübsche Ärztin, die einzige weibliche Rolle, und der tapfere, kranke Sohn durch die dunklen Gänge, klettern durch Krankenhausfenster und rollen durch Säle. Die Verfolgungsjagd, die am Ende des Films doch noch einmal aus dem Gebäude wegführt, ist ein kleines Zugeständnis an konventionelle Gut- jagt-Böse-Filme, sie wäre eigentlich nicht nötig gewesen.

In „Desperate Measures“ geht es um ein Verhältnis zwischen zwei Menschen, die langsam ihre Ähnlichkeit entdecken (wie Bridget Fonda und Jennifer Jason Leigh in Schroeders Film „Weiblich, ledig, jung sucht...“): Der omnipotente Bösewicht, den Keaton überzeugend und abstoßend darstellt, und der immer krimineller handelnde Gute, der am Ende nach Hollywood-Regeln einen wenn auch nicht endgültigen Sieg davonträgt. Leider traut sich Godard-Schüler Schroeder aber nie, ganz aus den Konventionen auszubrechen, die Thrillerstrukturen neu zu formieren oder anders zu mischen. Daran krankte schon das auf Dauer fade anzuschauende Drama „Weiblich, ledig, jung sucht...“, das zu bemüht und offensichtlich mit Psychoversatzstücken spielt. „Desperate Measures“ schafft es trotz guter Einfälle auch nicht, millionenmal Gesehenes spannend zu verkaufen. Aber wenn man sich trotz Krimimusik und gruseliger Kamerafahrten allzusehr langweilt, kann man immer noch die Mikros zählen, die im Bild hängen – ein Fest für Filmfehlerfetischisten. Jenni Zylka

„Desperate Measures“. Regie: Barbet Schroeder. Mit Andy Garcia, Michael Keaton, u.a., USA 1998, 100 Min.

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